MusikTexte 140 – Februar 2014, 92–93

Elektronische Klänge aus Köln

CD-Dokumentation „Noise of Cologne 2“

von Rainer Nonnenmann

Die Zeiten, als noch die Ausrüstung und das technische Personal von Studios elektronischer Musik in Köln, Paris und Mailand die dort entstandene Musik sowohl technisch als auch ästhetisch und klanglich maßgeblich prägten, sind längst vorbei. Und dennoch: Obwohl die von wenigen Konzernen beherrschte Digitaltechnologie inzwischen zu globalen Standardisierungen geführt hat, existieren weiterhin noch lokale Szenen mit je eigener Charakteristik und Dynamik. Nach einer vor zwei Jahren erschienenen ersten CD präsentiert nun eine zweite, von Frank Dommert und hans w. koch kuratierte Ausgabe von „Noise of Cologne“ kurze Arbeitsproben von sechzehn Komponisten und Klangkünstlern der aktuellen Szene der Kölner elektronischen Musik. Es sind allesamt durchweg andere Künstler als diejenigen, die auf der ersten CD dieser vom Kulturamt der Stadt Köln geförderten Reihe vorgestellt wurden.

Der Titel „Noise“ meint nicht das gleichnamige Subgenre krachender Clubmusik, sondern steht als Oberbegriff für die ganze Bandbreite aktueller Elektronik, für Laptopmusik ebenso wie für Ambiente, Musique concrète oder Fieldrecording. Neben wenigen rein elektronisch generierten Stücken überwiegt in den meisten Arbeiten die Verarbeitung konkreter Klänge. Echo Ho kombiniert Gitarrenklänge mit Mee­res­rauschen, das Duo Merzouga arrangiert Aufnahmen aus dem Rhein-Containerhafen in Köln-Niehl, Andreas Oskar Hirsch verwendet mit Mini-Ventilator auf Palmblättern erzeugte Pulsationen. Das 2008 von Tobias Beck, Volker Hennes, Svann Langguth und Dirk Specht gegründete Künstlerkollektiv „Therapeutische Hörgruppe Köln“ – seit 2013 Kurator der Reihe „Brückenmusik“ in der Deutzer Brücke mit Konzerten und Klanginstallationen – beschwört auf geblasenen Flaschen und Gläsern celest den „Nectar of the Gods“.

Eine besonders gelungene Mixtur ist „Trans Cologne Tramway“ des Leiters der Musikabteilung an der Kölner Kunsthochschule für Medien, Anthony Moore. Das Klirren Kölner Straßen- und U-Bahnen schwebt hier sphärengleich über einen zuckerweichen Ambiente-Teppich. Gregor Schwellenbach hingegen kreuzt eine anfangs getrennt exponierte Intrada aus Henry Purcells Oper „Timon of Athens“ nach und nach mit elektronischem Knistern und Dröhnen bis zur Unkenntlichkeit. Und während Hannes Hoelzl die Sounds zweier in seinem Computer miteinander chattender Roboter komponierte, agiert die Vokalartistin Bettina Wenzel per Zuspiel mit sich selbst in einem zu extrem virtuoser Stimmakrobatik potenzierten Duo. Wer dem Puls des aktuellen elektronischen Musikschaffens in Köln nachhören möchte, ist hier auf dem richtigen Weg.

„Noise of Cologne 2“ mit Arbeiten von Andreas Wagner, Titanoboa, Nils Quak, Anthony Moore, Natalie Bewernitz/Marek Goldowski, Echo Ho, Merzouga, Gregor Schwellenbach, Volker Zander, Lu Katavist, Achim Mohné, Harald Sack Ziegler, Bettina Wenzel, TreeSpeedMusic, Therapeutische Hörgruppe Köln, Hannes Hoelzl, CD herausgegeben von Mark e.V. im Vertrieb von a-Musik, Köln 2013.