MusikTexte 5 – Juli 1984, 50–52

Wohlformulierte Teufelsmusik

Zu Karlheinz Stockhausens „Samstag“ aus „Licht“

von Reinhard Oehlschlägel

Es ist nicht gerade einfach, Karlheinz Stockhausens musiktheatralischem Werk „Samstag“, einem Teil aus dem allmählich im Entstehen befindlichen Werkzyklus „Licht“, mit musikjoumalistischen Mitteln gerecht zu werden. Es ist etwas um das Gesamtprojekt und um seinen Urheber, das einer gelassenen Wahrnehmung eher hinderlich ist. Und vielleicht ist es hilfreich, diese Momente, die zu einem in gewissem Sinne auch widersprüchlichen Bild zusammenkommen, einmal zu benennen, um von ihnen womöglich abstrahieren zu können.

Schon lange Zeit und nun auch bei „Samstag“ benutzen der Komponist und sein Selbstverlag Großbuchstaben für die Schreibweise des Titels: „SAMSTAG“. Irgendwie suggeriert schon dieses eher nebensächliche Merkmal auf eine ganz äußerliche Weise einen besonderen Anspruch.

Die Genrebezeichnung Oper, die Stockhausen schon für „Donnerstag“ vor drei Jahren bei der Uraufführung im Teatro alla Scala in Mailand benutzt hat, erweckt auch im Bereich neuer Musik, in dem sie lange eher vermieden und durch Bezeichnungen wie Musiktheater, Musikalische Aktion und ähnlich ersetzt worden ist, Erwartungen in Hinsicht vor allem auf die dramaturgischen und inszenatorischen Eigenschaften eines Stücks. Nicht anders steht es zum Beispiel um die Bezeichnung „Libretto“. Wie schon für seinen „Donnerstag“, so ist auch bei „Samstag“ aus „Licht“ Stockhausens Urheberschaft für Musik, Libretto, Tanz, Aktionen und Gesten annonciert. In Bezug auf Stockhausens Opembegriff, Librettobezeichnung und die quasi universale Urheberschaft für nahezu alle Dimensionen lässt sich die These vertreten, dass es sich bei beiden Teilstücken aus dem Siebentagezyklus „Licht“ nicht um Opern im bisher gebräuchlichen Sinn handelt und dass ihnen nicht eigentlich ein Libretto zugrunde liegt. So bedeutet beispielsweise die Autorschaft an einem Bühnenwerk hinsichtlich Musik, Libretto, Tanz, Aktionen und Gesten, dass an all diesen Elementen nichts geändert werden kann, es kaum Interpretationsspielräume im bisher mit der Vorstellung von Oper definierten Sinne gibt.

Um es an einem anschaulichen Beispiel zu sagen: Es ist, so wie die Dinge stehen, wohl nahezu ausgeschlossen, dass sich etwa die von Michael Gielen geleitete Frankfurter Oper, das derzeit in Deutschland führende Opernhaus hinsichtlich der Interpretation von Oper, eines Stücks aus dem „Licht“-Zyklus von Stockhausen annehmen kann. Einerseits ist der Urheberschaftskatalog, den Stockhausen für sich in Anspruch nimmt, in Hinsicht auf den schützenswerten Charakter des Stücks rein rechtlich und faktisch leicht durchzusetzen. Die Aufführungsrechte an einem geschützten Bühnenwerk können nur beim Verlag, nicht etwa durch Notenkauf oder bei der GEMA erworben werden. Und der Verlag ist in diesem Fall wiederum der Komponist selbst, der nicht einmal gezwungen werden könnte, bei voller Respektierung all der Werkeigenschaften, die er ausgearbeitet und zu Bestandteilen des Werks erklärt hat, einen Aufführungsvertrag zu unterschreiben. Andrerseits sind natürlich auch der Komponist und sein Selbstverlag schon rein materiell an weiteren Aufführungen interessiert. Es bleibt natürlich auch abzuwarten, ob der Katalog der autorisierten Werkeigenschaften nicht fallweise doch im Interesse, überhaupt eine zweite Aufführung zu ermöglichen, stillschweigend oder gar bewusst wieder etwas eingeschränkt werden könnte.

Nebenbei bemerkt erinnert diese besondere Rechtssituation an die von Richard Wagners „Ring“ und „Parsifal“, die zu Richard und Cosima Wagners Lebzeiten nur in Bayreuth und damit nur in der vom Meister autorisierten Form gespielt werden konnten. Durch die Identität von Komponist und Verlag ist es für Stockhausen rein rechtlich noch leichter, besondere Aufführungsbedingungen durchzusetzen. Faktisch gibt es allerdings zumindest noch keine spezielle Stockhausen-Bühne in eigener Regie.

Die Identität von Komponist und Verlag hat aber noch weitere Folgen, die es nicht gerade einfach erscheinen lassen, dass angemessene Uraufführungskritiken entstehen können. Der Verlag und damit der Komponist kontrolliert auch die Zugänglichkeit der Partitur, des Librettos, der Notationen von Tanz, Aktionen und Gesten. Und über seine gewiss verständlichen Perfektionsansprüche gegenüber der auch bei der Uraufführung und der Folgeaufführungsserie des „Samstag“ entstandenen Rundfunkaufnahme, ist auch der Zugang dazu bis zur erfolgten Freigabe durch den Komponisten gesperrt. Bei den meisten Uraufführungen von Bühnenwerken neuer Musik von internationalem Rang ist es dagegen aus guten Gründen üblich, Libretti, Klavierauszüge und Partituren zumindest leihweise schon vor der Premiere zugänglich zu machen und zumindest Ausschnitte einer Tonbandaufnahme für Sendeberichte freizugeben. So spricht einiges für die These, dass der Komponist Stockhausen in Personalunion mit dem Komponistenverlag Stockhausen einen Teil der in aller Regel unbeabsichtigten Ungenauigkeiten und Missverständnissen in den Uraufführungskritiken zumindest fahrlässig mitverursacht.

Einen gewissen Widerspruch könnte man schließlich darin sehen, dass Stockhausens Musik zumindest der letzten zehn Jahre einen auffallend deklamatorischen, ja lehrhaften Grundcharakter aufweist; die Verschiebungen der Begriffsinhalte Oper, Libretto, Werk, der Öffentlichkeit und der Zugänglichkeit der Aufzeichnungen jedoch unerklärt und unreflektiert geblieben sind.

In erster Annäherung ist es sicher richtig, bei Stockhausens neueren Musiktheaterstücken wie bei „Samstag“ aus „Licht“ einen veränderten Begriff von Oper anzunehmen. Es gibt zwar ein etwas etüdenartig wirkendes Blechbläservorspiel, aber es gibt keine Handlung, keinen Dialog im herkömmlichen Sinn, ja über große Strecken überhaupt keinen Text. Schon quantitativ spielt die in Tonhöhen und Geräuschen komponierte klingende Musik im Verhältnis zu Text, Bühnenbild, Kostüm, et cetera eine weit größere Rolle als etwa in Luigi Nonos, Luciano Berios und György Ligetis Opern. Geht man auf die kleinste bisher bekannt gewordene Zelle, offenbar einen Ausgangspunkt des Projekts, zurück, auf die sogenannten „Töne von Licht“, die das Teatro alla Scala im Programmheft der Uraufführung von „Donnerstag“ 1981 veröffentlicht hat, so liegt dem Stück eine Tonhöhenorganisation zugrunde. Schon in dieser Form finden sich eine Siebenteilung in Wochentage und eine Schichtung des Materials in drei zentrale Rollen.

Offenbar ist die musikalische Organisation von Anfang an mit der Vorstellungswelt Stockhausens besetzt, mit dem Schöpfungsmythos und verwandten Vorstellungen, die mit den Wochentagen und den Tagesnamen verknüpft sind, mit den Mythen von Leben und Tod, Werden und Vergehen, von Vater und Sohn, von der Geburt der Kunst, der Musik und anderem mehr. Der Bezug auf eine zentrale Figur und auf einen Tonhöhen-, Rhythmus-, Farben- und Tempoablauf ist in „Samstag“ aus „Licht“ eher noch deutlicher geworden. War das Regel-, Reihen- und Formelhafte etwa im ersten Teilstück mit dem Titel „Luzifers Traum“, der ersten Szene des „Samstag“, schon bei der Uraufführung in Metz im November 1981 deutlich geworden, ohne indes schon bis in alle Einzelheiten nachprüfbar, nachvollziehbar zu sein, so verstärkte sich dieser Eindruck bis ins Demonstrative bei der Uraufführung der zweiten Szene mit dem Titel „Kathinkas Gesang als Luzifers Requiem“ im vergangenen Herbst bei den Donaueschinger Musiktagen.

In dieser Szene wird die gleiche Tonanordnung der Luzifer-Töne aus „Töne aus Licht“ in einer zweimal elfgliedrigen Ausarbeitung als Notenbild sichtbar und in auch räumlicher Parallele dazu von der Flötensolistin vom Notenbild abgespielt hörbar. In dieser Parallelaktion lebt auch ein anderes Element verändert wieder auf, das im ersten und dritten Akt von „Donnerstag“ eine Rolle gespielt hatte, die nahezu wörtliche Parallelisierung zweier oder gar dreier Ebenen. Allerdings gibt es im ganzen „Samstag“ keinerlei direkte Parallelbildung zwischen Sänger-, Instrumentalisten- und Tänzerrolle wie noch im „Donnerstag“. Und von den Figuren des „Donnerstag“ treten zwar Luzifer und kurz auch Michael im „Samstag“ wieder auf, doch abgesehen von der Schlussszene, in der es auch keine Luzifergestalt mehr gibt, dafür aber das Posaunensolo an seiner Stelle, gibt es keinerlei Paralleltänzer und auch keinen Parallelsänger für die Trompete blasende Michaelsgestalt.

Waren im „Donnerstag“ die drei Akte noch über die Titelfigur des Michael immer auch im Kontext zum Vater/Luzifer zusammengehalten, so ist nun die Aneinanderreihung der vier Szenen wesentlich vager: nicht einmal die Titelfigur, obschon sie auch in den Teiltiteln wiederkehrt, hält alles zusammen. In der zweiten Szene fehlt sie ebenso wie in der vierten. Obwohl dieser „Samstag“ im geplanten Werkganzen als der Teufels- und Luzifertag ausgewiesen ist, ist er nicht eigentlich der dramatische Höhepunkt der Auseinandersetzung von Gut und Böse, ist keine schwarze Messe. Die Inkarnation des Bösen, auch des Todes, wird gleich als Träumer eingeführt, stirbt einen Scheintod, der ein Requiem, also wohl eine Art Schein-Requiem, eine Scheintotenmesse zur Folge hat.

Erst in der dritten Szene, in „Luzifers Tanz“, die in Mailand überhaupt zum ersten Mal erklang, gibt es eine auch vokale und darstellerische Präsenz der Teufelsgestalt selbst, zugleich mit einem doppelten Überbild der optischen Darstellung einer Teufelsfratze in Form einer Instrumentenanordnung und in Form einer riesigen Sitzlandschaft für das Publikum. Diese beiden bildlichen Elemente verleihen aber diesem Kernstück des „Samstag“ eine Statuarik, geben dem Tänzerischen eine Feierlichkeit und Gravität, auf deren Hintergrund dann eine symbolische Auseinandersetzung zwischen Michael und Luzifer, also Gut und Böse, sozusagen der dramaturgische Höhepunkt des Stücks, angelegt ist. Auch die Darstellung der Teufelsgestalt als überdimensionaler Stelzenläufer nach Art etwa der Figuren des New Yorker Bread and Puppet Theater löst die Statuarik der Instrumentenanordnung wieder etwas auf. Die Brechung der ganzen Szene durch einen vom Komponisten vorgeschriebenen „gespielten“ Streik der Musiker – sie waren aus den Vereinigten Staaten engagiert, nicht zuletzt, damit die Aufführungen nicht von der italienischen Streikkultur gefährdet werden konnten, wie noch vor drei Jahren der Choristenstreik zu einer Reihe unvollständiger Aufführungen von „Donnerstag“ aus „Licht“ geführt hatte – die Brechung wirkte doch sehr bemüht und naiv.

Vollends die Schlussszene mit dem Titel „Luzifers Abschied“, die im September 1982 in einer Kirche in Assisi uraufgeführt worden ist, ist kaum noch als Szene einer dramatischen Teufelsdarstellung aufzufassen, liegt ihr doch der Lobgesang der Tugend von Franz von Assisi zugrunde, und wird doch musikalisch wie szenisch durch Mönchschöre, durch sieben Posaunen, Orgel und Kirchenglocken vielmehr ein sakrales als ein satanisches Schlussbild gezeichnet. Die Szene, die an mittelalterliche liturgische Spiele erinnert, setzt mit der Benutzung perkussiver Holzschuhe, von Glöckchen und Karfreitagsklappem und mit Momenten des Außer-sich-Geratens im Gesang selbst – in weitgehender Paralellelisierung zur Textsemantik – und in der zunehmenden Bewegung der Sänger durch den Raum einige die Sakralität wieder auflösende Mittel ein, um schließlich mit einem aus Ceylon entliehenen Ritual des Zertrümmerns von Kokosnüssen das Stück eher wieder ausweichend privatistisch verharmlosend enden zu lassen: Jeder Sänger wünscht sich etwas, wenn er seine Nuss zertrümmert.

Im Gesamtkontext der sieben „Licht“-Teile sind, soweit das aus einem Gespräch des Komponisten mit Robert HP Platz hervorgeht, allerdings die zentralen Konflikte zwischen den inkarnierten Prinzipien von Gut und Böse in den Teilstücken „Dienstag“ und „Freitag“ geplant. So gesehen scheint der „Samstag“ eher ein Nachspiel oder ein Läuterungsprozess zu sein.

Musikalisch, kompositorisch liegt dem „Samstag“ eine eigene Multi- oder Tripelformel von Tönen, Rhythmen, Artikulationen und anderen Elementen zugrunde. Vielleicht ist auch der Begriff Formel nicht gerade geschickt gewählt. Es handelt sich hierbei um einen auf drei oder vier Notensystemen farbig notierten kleinen Tonsatz, der etwa an Heinrich Schenkers Urlinie erinnert. Neu ist jetzt die Bezeichnung „Super-Formel-Segment“ für „Samstag“ aus „Licht“. Die Kerntöne dieses Segments stammen aus der Skizze „Töne aus Licht“, aus der, mit Wellenlinien eben ein Segment, das sechste, diese Kerntöne enthält: ein f im ersten, Michael zugeordneten System, ein a-cis im zweiten, im Eva-System, und ein e-es-c im dritten, dem Luzifer-System. Im Super-Formel-Segment sind nun diese Töne weiter ausgearbeitet, das Michaels-f in bestimmter Weise rhythmisiert, das a-cis der Eva mit einer absteigenden Figur eingeleitet, das a selbst um Vierteltonschwankungen bewegt und zugleich mit den Vokalfarben u-o-a moduliert und das cis mit Glissandi von oben und unten her angegangen. Und auch die drei Luzifer-Töne erfahren eine gewisse Rhythmisierung und eine chromatische Einleitung vom Luzifer-Zentralton des „Freitags“-Segments ausgehend. Darunter notiert Stockhausen schließlich noch in einem vierten System mit grüner Tinte „Luzifers Kernformel“ - auch die Bezeichnung Kernformel ist neu -, in der alle elf Töne des Luzifer-Systems der „Licht“-Formel rhythmisiert sind. Und diese ganze Anordnung auf zusammen vier Systemen ist wiederum mit senkrechten Linien vierfach unterteilt und mit den vier Szenenhinweisen: Traum, Requiem, Tanz und Abschied überschrieben. Offenbar wurde das harmonische Material, Taktart, Tempo, Grundrhythmus und anderes mehr der vier Einzelszenen aus dieser Konstellation in mehreren Schritten abgeleitet. Schließlich teilt Stockhausen im Programmheft der Mailänder Scala noch eine vierfarbige Luzifer-Formel mit, wiederum eine Ausarbeitung der elftönigen Luzifer-Reihe mit Hilfe von Tonwiederholungen, Umspielungen, chromatischen Übergängen, Glissandi, Tonvorausnahmen und -rückkehrungen und anderem mehr kunstvoll variiert mit zwölf verschiedenen Tempo-Bezeichnungen, mit Dynamikvorschriften und mit in gelber Farbe notierten Klangfarbenvorstellungen verstehen. Diese Reihe kehrt in der zweiten Szene auf zwei großen kreisrunden Scheiben im Uhrzeigersinn abschnittsweise projiziert wieder und wird von der Flötistin von da her abgespielt, allerdings stellenweise noch weiter variiert, verziert, transformiert.

Diese kompositorische Ableitung eines ganzen Werks aus einer einzigen Zelle oder hier aus drei aufeinander bezogene Reihen von dreizehn Michaels-, zwölf Evas- und elf Luziferstönen ist eine Folge des von Webern abgeleiteten systematischen seriellen Kompositionsansatzes, den Stockhausen selbst in den Fünfzigerjahren entscheidend mitentwickelt hatte. Die Folgen verliefen stufenweise, wobei die Melodisierung von Reihenabläufen, eine Art Vereinfachung, Elementarisierung im Intervallischen einen wichtigen Schritt darstellte, vollzogen schon im „Tierkreis“ von 1975 und in „Am Himmel wandre ich ...“ von 1972. Das Haushalten mit wenigen Tönen und Intervallen, die erst im Verlauf größerer Zusammenhänge wieder zu einem universellen Ton- und Intervallvorrat zusammenkommen, stellt doch das System, das Total letztlich wieder her, harmonisiert das Einzelne in einem Netz von Beziehungen des Ganzen, auch wo das – wie schon in der frühen seriellen Phase – nicht unmittelbar wahrnehmbar ist.

Universalistisches, weltumfassendes Komponieren hatte Stockhausen schon in „Hymnen“ und in „Telemusik“ in kleinerem Maßstab versucht. In „Licht“ sollen alle bisher bekannten Größenordnungen durch den Einbezug möglichst vieler elementarer Mythen in einen wohlformulierten Zusammenhang in der Komposition übersteigert, das Überwerk an sich geschaffen werden. Misst man daran die Mitwirkung Einzelner, wie des Mailänder Regisseurs Luca Ronconi, der weitestgehend Stockhausens Vorstellungen bildgetreu umgesetzt hat, und wie der Mailänder Bühnenbild- und Kostümbildnerin Gae Aulanti, die in der großen Sporthalle zwar einen außerordentlichen, aber doch zugleich einen nicht gerade für szenische Musikaufführungen eingerichteten Raum ausstatten musste und dies wiederum so vorlagengetreu wie möglich versuchte, so verblassen ihre Leistungen vor der Gesamtidee und Gesamtgestalt und vor dem Gesamtgestalter des Riesenopus selbst.

Das Gigantomanische allen Systemdenkens, das immer auch das Verfügen über die im System befindlichen Einzelnen beinhaltet, ist ein Moment der notwendigen Kritik, auch des immensen Risikos, das der Komponist Stockhausen hier eingeht, dem er Jahrzehnte seines Lebens widmen will, wenn nicht überhaupt den überwiegenden Rest. Bewunderung und Schrecken löst sein Werk also wohl notwendig miteinander verbunden aus. Beim Teufelstag selbst, dem „Samstag“, wie er sich beim Einmalhören und -sehen darstellte, so scheint es mir, sind wir mit beidem noch einmal glimpflich davongekommen. Die eigentlichen Konfliktszenen stehen noch aus, auch der Plan, eine Oper der Konsolidierung zu schreiben, der „Mittwoch“ soll das leisten, und schließlich eine abendfüllende Oper der mystischen Vereinigung von Mann und Frau, von Michael und Eva zu komponieren, das alles könnte für den Autor und sein gebanntes Publikum weit riskanter sein.