MusikTexte 133 – Mai 2012, 22–37

Inmitten der Allgegenwart von Musik

Der Komponist Reinhard Febel

von Rainer Nonnenmann

Als verkündet wurde, dass die Bibliothek alle Bücher umfasse, war der erste Eindruck ein überwältigendes Glücksgefühl. Alle Menschen wussten sich Herren über einen unversehrten und geheimen Schatz … Auf die überschwängliche Hoffnung folgte ganz natürlich übermäßige Verzagtheit …

Jorge Luis Borges1

Wie nie zuvor sind wir heute mit Musik aller Stile, Epochen und Weltgegenden konfrontiert. Reisemöglichkeiten, Kommunikationstechnologien, Speicher- und Reproduktionsmedien, Radio, Fernsehen, Walkman, iPod und Internet sorgen rund um die Uhr für universale Verfügbarkeit und Allgegenwart verschiedenster Musik. So wird Vergangenes zu Gegenwärtigem, Fernes zu Nahem, Fremdes zu Vertrautem. Als Folge davon haben sich die Materialien, Techniken und Identitäten vollständig relativiert. Komponisten sehen sich heute im Dilemma zwischen der totalen Freiheit des „Alles ist möglich“ und der Gefahr der totalen Beliebigkeit des „Nichts ist nötig“, weil man ohnehin schon alles hat. Angesichts dieser Situation wächst der Zwang zur Unterscheidung und Selbstbeschränkung. Doch wie sollen Komponisten heute vor diesem Hintergrund ihr Material auswählen und ihre Entscheidungen treffen? Welche Bedeutung spielen für sie dabei historische, kulturelle, sprachliche oder auch nationale Vorbilder und Prägungen?

Zur Generation, die erstmals in dieser ebenso bereichernden wie als lähmend empfundenen Situation aufwuchs, gehört auch der 1952 in Metzingen am Fuße der Schwäbischen Alb geborene Reinhard Febel. Nach autodidaktischem Klavierspielen studierte er ab 1972 Schulmusik an der Stuttgarter Musikhochschule mit Hauptfach Klavier bei Jürgen Uhde. Erst nach Abschluss des ersten Staatsexamens 1977 begann er ein Kompositionsstudium bei Milko Kelemen in Stuttgart, das er bei Klaus Huber in Freiburg und dessen ehemaligem Schüler Brian Ferneyhough bis 1982 fortsetzte und abschloss. Ab 1989 unterrichtete er selbst als Professor für Komposi­tion und Musiktheorie an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover. Seit 1997 ist Febel Professor für Komposi­tion am Mozarteum in Salzburg.

Seinen Weg inmitten dessen, was vielfach als Postmoderne beschrieben wurde, fand er, indem er die historische, stilistische und materiale Relativität von Musik in seinen Werken selbst thematisierte und erlebbar zu machen versuchte. Wiederholt nahm er dabei Bezug auf die europäische klassisch-romantische Musiktradition, weshalb er zuweilen als Neoromantiker bezeichnet wurde. Immer wieder verhalf er der musikalischen Vergangenheit in eigenen Werken zu neuer Gegenwart, namentlich in Gestalt von Anklängen an Musik von Franz Schubert, Robert Schumann und Frédéric Chopin.

Gegenwart des Vergangenen

Febels erste Auseinandersetzung mit der geschichtlichen Entwicklung der abendländischen Musik von der Ars Nova des frühen vierzehnten Jahrhunderts bis zu den Avantgardebewegungen des zwanzigsten Jahrhunderts ist „Charivari“ für fünfzehn Instrumentalisten. Das Stück entstand 1979 und wurde 1980 mit dem Beethovenpreis der Stadt Bonn ausgezeichnet. Es ist eine Art Schnelldurchlauf durch die Musikgeschichte. Angefangen beim mittelalterlichen Quint-Organum führt es über die Vokalpolyphonie der Renaissance zu barocker Fugentechnik, zu klassischem Streichquartettsatz, Anton Weberns Zwölftontechnik und schließlich zu György Ligetis mi­kropolyphonen Klangflächenkompositionen der frühen sechziger Jahre. Statt um wirkliche Zitate alter und neuer Musik handelt es sich um mehr oder minder freie, teils leicht verfremdete Stilkopien der historischen Vorbilder, die sich zu einem durchgehenden Stilglissando verbinden, das in proportionaler Entsprechung zu den seit dem neunzehnten Jahrhundert in immer dichterer Folge erscheinenden stilistischen Entwicklungen immer schneller wird, bis sich kein Stil mehr wirklich entfaltet, weil er sofort wieder vom nächsten überholt und verdrängt wird. Febel wollte mit dieser provokanten Demonstration zweierlei unterstreichen: Zum einen, dass die reale musikgeschichtliche Entwicklung von sechshundert Jahren, von Dufay bis Ligeti und Luciano Berio, dem heutigen Komponisten allesamt als Material gleichberechtigt verfügbar ist. Und zum anderen, dass es sich bei allen diesen kompositorischen Ordnungsprinzipien – Modalität, Tonalität, Atonalität, Dodekaphonie, Serialismus und informellem Klangkomponieren –, um historische Phänomene handelt, die im Laufe der Musikgeschichte entstanden und wieder verschwunden sind, so dass sie statt absoluter Bedeutung jeweils nur relative Gültigkeit für bestimmte Epochen beanspruchen können.

Was mich damals interessiert hat, war nicht so sehr, zu zeigen, dass man zwischen allen möglichen Stilen navigieren kann, sondern ich habe tatsächlich ein Raster gebaut, das sich an der wirklichen Musikgeschichte orientiert und damit versucht, sozusagen in „real time“ die wirklichen Entwicklungen der musikalischen Stile nachzuzeichnen. Das führte dann zu dem Paradox, dass zum zwanzigsten Jahrhundert hin die Entwicklungen immer schneller und schneller verlaufen und man an einen Moment kommt, wo man gar nicht mehr genügend Zeit hat, um zu komponieren. Diese Beschleunigung hat mich interessiert. Das war auch etwas Typisches für die frühen achtziger Jahre, als in den Studien des „Club of Rome“ zum Beispiel erstmals an katastrophale Beschleunigungen und die katas­trophale Bevölkerungsentwicklung auf der Erde gedacht wurde.2 Mit collagehaftem Denken hatte das nichts zu tun, sondern es war eine Beschäftigung mit der Theorie der Zwangsläufigkeit im Material: Also wenn zwangsläufig eine Mehrstimmigkeit reichere Intervallik produziert, dann zwangs­­­läufig die Kadenzen komplexer werden, dann zwangsläufig das chromatische Total entsteht … Das habe ich zu komponieren versucht, so wie ein Schaubild oder Diagramm: „Hier sehen sie die Erwärmung der Erde und das Schmelzen der Gletscher der letzten vierzig Jahre“, also in diesem Sinne. Inzwischen bin ich viel skeptischer, ob es diese Zwangsläufigkeit überhaupt gibt. Ich würde sie zum einen auf die westliche Musikgeschichte reduzieren, wo sie sich aus gewissen logischen Gegebenheiten herleiten lässt, etwa aus der Notenschrift. Und zum anderen beschränkt sie sich auf die Vergangenheit, denn seit diesem Stück „Charivari“ hat man sehr viel gesprochen über Postmoderne, Posthistoire und die Frage, ob es eine Geschichte gibt. Heute würde ich damit wahrscheinlich anders umgehen. Ich habe mich auch erst später mit Paul Virilio beschäftigt, der interessante Überlegungen angestellt hat, wie man Raum und Zeit vertauschen kann. Was ist räumliche Entfernung, was ist zeitliche Entfernung? Das würde mir heute näher liegen.3

Febels Musik ist zu vielseitig, als dass sie sich auf klar identifizierbare Merkmale festlegen ließe. Sie widersetzt sich stilistischen Schablonen, obwohl sie immer wieder Ähnlichkeiten mit verschiedenen Musikrichtungen aufweist. Weder ist sie der Minimal Music zuzuordnen, obwohl viele Werke Affinitäten dazu zeigen: etwa das Streichquartett (1981/82), die Sinfonie (1985/86) oder die Ensemblekomposition „Joker“ für Sopran und fünf Instrumente (1986). Noch gehört seine Musik zur „Neo-Tonalität“ oder „Neo-Romantik“, auch wenn sie Tonalität verarbeitet, an musiksprachlichen Gesten festhält, oft mit theatralischen und expressiven Mitteln arbeitet und immer wieder außermusikalische Gehalte, Situationen, Gefühle, Atmosphären und Räume auszudrücken sucht.

Ich bemühe mich inzwischen, Erörterungen der beiden Begriffe „Tonalität“ und „Postmoderne“ zu vermeiden, also weder deren Existenz zu behaupten noch zu widerlegen. Eine neue Wendung aber scheint mir dennoch zu sein, dass man Phänomene nicht nur linear, also historisch verfolgen kann, sondern auch phänomenologisch, indem man vergleicht, was sie miteinander zu tun haben. Das gibt es schon bei dem Kulturtheoretiker Egon Fridell, etwa in dessen „Kulturgeschichte der Neuzeit“ (1927–1931) oder in seinem zweiten Teil zu Herbert George Wells Science-Fiction-Roman „Die Zeitmaschine (1895). Schon Fridell hat versucht, Geschichte nicht nur als Prozess darzustellen, sondern er spricht von „Schnitten“: Archäologen graben etwas nicht von oben bis unten aus, denn dabei würden sie die historischen Tatsachen komplett zerstören, sondern sie machen zuerst einmal einen senkrechten Anschnitt in das Gelände, wie in einen Kuchen, um zu sehen, wie die Schichten liegen. So wird die Analogie zur Musikgeschichte vielleicht verständlich: eben nicht historisch linear Schicht für Schicht abzutragen, sondern ein Phänomen in den Mittelpunkt zu stellen, wie beispielsweise Polyphonie, die dann von Pygmäen-Musik bis zu Aleatorik bei Cage oder zu einer Menschenmenge reicht. Das ist ein Gedanke, der mich nicht mehr loslässt. Angesichts der Allgegenwart von Musik bezweifle ich mehr und mehr, ob es so etwas wie einen historischen Automatismus gibt, der einen sofort denken lässt, das ist von dann und dann. Das macht mir natürlich auch Sorgen, denn die Beliebigkeit birgt auch große Gefahren, die wahr­scheinlich überwiegen. Ich richte meine Aufmerksamkeit inzwischen viel stärker auf die Medien, die unsere Wahrnehmung beeinflussen und teils regelrecht zerstören, zerhacken, neue Zeitbegriffe vorgeben, zwischen zwei Werbeblöcken et ce­tera, die mit dem Material selbst überhaupt nichts zu tun haben.

Febels Kompositionen vereinigten von Anfang an streng strukturelles Kalkül mit unmittelbar nachvollziehbaren Klang- und Formverläufen. Zugleich vertrat er ähn­liche Positionen wie viele seiner Altersgenossen, deren Musik Mitte der siebziger Jahre als „Neue Einfachheit“ etikettiert wurde. Wie die gleichaltrigen Komponisten Hans-Jürgen von Bose, Wolfgang Rihm und Wolfgang von Schweinitz plädierte Febel für die Vielfalt des Komponierens, für eine neue Emotionalität, Verständlichkeit und Sinnlichkeit der Musik. Und wie andere seiner Generation – namentlich wie der ebenfalls 1952 geborene, aber wesentlich früher präsente und dann ungleich bekannter gewordene Wolfgang Rihm strebte Febel nach einem „inklusiven Komponieren“4, dem alle vergangenen und gegenwärtigen Materialien, Stile und Techniken gleichberechtigt zur Verfügung stehen sollten, insbesondere diejenigen, die die serielle Avantgarde und Lehrergeneration zuvor ausgeschlossen und tabuisiert hatte.

Was mich besonders interessiert hat, war die Frage nach der Hörbarkeit von Strukturen. Da gab es Diskussionen in Hülle und Fülle, inwieweit das strukturelle Denken durch das Hören eben auch abrufbar oder nachprüfbar ist. Das hat vielleicht mit dem Gegenteil von Komplexität zu tun. Aber ich bin nicht ganz sicher, ob Einfachheit je der Gegensatz von Komplexität war, denn man hört da natürlich, heute ganz besonders, die Polemik dahinter. Etwas Einfaches ist eben nicht so gut wie etwas Komplexes. Den Begriff des „inklusiven Arbeitens“ habe ich – glaube ich – selbst gar nicht benutzt.

Komponieren mit Tonalität

Seinen ersten Besuch der Internationalen Ferienkurse für Neue Musik in Darmstadt 1978 empfand Febel als „Kulturschock“, zugleich aber auch als heilsam, da ihm die neuen Erfahrungen halfen, sich von der geliebten klassisch-romantischen Musik seiner Kindheit und Jugend zu trennen, um fortan eigene kompositorische Wege zu beschreiten.5 Dennoch lehnte er sich gegen die Darmstädter serielle und postserielle Avantgarde auf, indem er die Auffassung vertrat, dass das Verschwinden von Tonalität als Ordnungsprinzip zur Zeit der Zweiten Wiener Schule um 1910 nicht endgültig sei für den weiteren Verlauf der Musikgeschichte, sondern vielmehr einen Umschlag ins Gegenteil impliziere, der sich dann mit den neo-tonalen Kompositionsansätzen der siebziger Jahre tatsächlich ereignet habe.

Außerdem kritisierte Febel, dass der Begriff Neo-Romantik nicht pauschal auf völlig unterschiedliche neo-tonale Ansätze bezogen werden könne, da die Wiederverwendung von Tonalität nicht gleichbedeutend sei mit der Restauration bestimmter romantischer, klassischer oder sonstiger Epochenidiome. Statt um nostalgische Anklänge an vertraute Musiksprachen ging es ihm um strukturelle Neubestimmung des tonalen Materials, das er gerade im Gegenteil von historischen Stil- und Sprachzusammenhängen befreien wollte. An die Stelle des Komponierens „in“ Tonalität als geschlossenem Regelsystem mit eindeutigen, zwingenden Vorgaben, sollte ein Komponieren „mit“ Tonalität als beliebig verfügbarem Material unter anderen Materialien treten.6 Der Versuch erwies sich indes als heikle Gratwanderung, die nicht immer gelang. So neigt etwa „Jardin“ für großes Orchester (1989) zu einer konventionellen, neoklassischen Aufteilung von Melodie- und Begleitstimmen. Tonalität erscheint hier eben doch an bestimmte klassisch-romantische Strukturmodelle und Stilvorgaben gebunden. Ähnliches gilt von Febels späterer Orchester-Trilogie mit den Werken „Fantasie über ein Thema von Franz Schubert“ (1997), „Sphinxes“ (2004) und „Berceuse avec cauchemar“ (2007), die jeweils über bestimmte Klavierstücke von Franz Schubert, Robert Schumann und Frédéric Chopin komponiert sind. Tatsächlich stellt sich die Frage, ob ein Komponieren „mit“ statt „in“ Tonalität überhaupt praktikabel ist. Wenn Tonalität ein ganzer Regelkanon ist, dann resultiert auch tonale Musik, wenn man diesem Regelkanon folgt, beziehungsweise atonale Musik, wenn man ihm nicht folgt. Statt eines Mehr oder Weniger an Tonalität scheint es nur die Alternative tonal oder nicht tonal zu geben.

Ja, das ist wohl richtig. Aber die Wunschvorstellung wäre, dass man die Gesetzlichkeiten von Stimmführungsregeln bis zu stilistischen Paradigmen erneuert, ohne Konsonanz und Dissonanz als solche dahin zu verbannen, wo sie früher waren, also in tonale oder atonale Musik.

In der „Étude d’exécution transcendante“ für vierzehn Instrumentalisten (1979) lotet Febel die Grenzen der Spielbarkeit der verwendeten Instrumente aus, ganz im Sinne der atemberaubenden Virtuosität der gleichnamigen Etüdensammlung von Franz Liszt. Zugleich thematisiert er das Aufkommen und Verschwinden von Tonalität beziehungsweise Atonalität. Denn im Laufe des Stücks bricht ein hochpolyphones zwölftöniges Stimmengewirr mehrmals abrupt ab, um zunehmend tonalen Strukturen zu weichen. Im weiteren Verlauf gehen die polyphonen Passagen selbst nach und nach in einen Dur-Akkord über, der sich schließlich volle dreißig Takte lang über den gesamten Tonumfang von fünf Oktaven ausbreitet, bevor er wieder getrübt und überlagert wird. Der bogenförmig in sich selbst zurückführende Klangverlauf bringt so das Kommen und Gehen von Tonalität sinnfällig zu Gehör.

Bei der „Étude“ weiß ich noch ganz genau, was ich mir damals gedacht habe, aber ich weiß natürlich nicht, ob man das Stück auch so hört oder jemals so gehört hat. Die Frage, die mich interessiert hat, war einfach die: Die nicht-tonalen Teile sind extrem komplex. Neulich habe ich durch Zufall den Pianisten wieder getroffen, der damals das Klavier gespielt hat, und der hat gesagt: Wenn ich damals gewusst hätte, wie viel Noten ich üben muss – und die hört man ja alle gar nicht –, dann hätte ich das anders gesehen.“ Das zeigt mir im Nachhinein, dass diese Teile wirklich hyperkomplex waren. Und der andere Teil, also der tonale, stellt sozusagen das Minimum an Information dar, nämlich einen Dur-Dreiklang, nicht ganz das Minimum, denn der Dur-Dreiklang gleitet ganz langsam in einen Moll-Dreiklang über.

Neue Philosophie der Musik

In gezielter Umkehrung von Theodor W. Adornos wirkungsmächtiger Schrift „Philosophie der neuen Musik“ (1948), welche die serielle Avantgarde der fünfziger Jahre für sich adaptiert hatte, überschrieb Febel 1980 seinen Rückblick auf die Musik der siebziger Jahre demonstrativ mit dem Titel „Eine neue Philosophie der Musik“.7 Er wollte damit klarstellen, dass weniger die Musik zu erneuern sei als vielmehr die als veraltet empfundene avantgardistische Musikästhetik und der von Adorno postulierte lineare Material- und Fortschrittsbegriff. Febel propagierte stattdessen die plurale Gleichzeitigkeit und gleichberechtigte Verfügbarkeit aller Materialien, Stile und Epochen. In den „Variationen für Orchester“ aus demselben Jahr 1980 leitete er sämtliche Ereignisse aus dem Volkslied „Krung“ (Kranich) des armenischen Komponisten Sogomon Komitas ab. Von einem einzigen Ton ausgehend werden mit jeder Variation Rhythmus, Melodie und Harmonik der Liedvorlage immer deutlicher, bis endlich in der sechzehnten Variation das Original einen Moment lang komplett unverfremdet erscheint, bevor es durch melodiefremde Töne und neue melodische Floskeln wieder verdeckt wird.8 Mit der sukzessiven Zusammensetzung und Auslöschung des armenischen Lieds wollte Febel zudem an den Völkermord des türkischen Militärs an der armenischen Bevölkerung während des ersten Weltkriegs erinnern.

Interessiert hat mich der strukturelle Aspekt. Die Frage, Tonalität oder nicht, war mir ziemlich egal. Sondern die Idee war, ob es möglich ist, eine Hierarchie darzustellen, die von einem einzigen Ton ausgeht und zu dem Thema dieser Variationen hinführt. Ich kann von einem Thema weg variieren durch Hinzufügung von Daten, grob gesagt. Ich kann aber auch zu einem Thema hin variieren durch Wegnahme von Daten. Das war die Idee. Ich fange an mit dem Ton, der im armenischen Volkslied am häufigsten vorkommt, und führe dann auch alle anderen Töne in der Reihenfolge der Häufigkeit ihres Auftretens in diesem Lied ein. Ich habe das ausgezählt und statistisch durchgerechnet.

Das Streichquartett von 1981/1982 ist eines der Werke Febels, die spürbar unter dem Einfluss seiner Bekanntschaft mit der US-amerikanischen Minimal Music entstanden. Charakteristikum des Stücks ist die Auflösung der traditionellen spieltechnischen Einheit von Griff- und Bogenhand, die konsequent asynchron behandelt werden. Durch Überlagerung beider Aktionsebenen entstehen melodische Muster und ein komplexer polyrhythmisch bewegter Klangfluss, der sich immer wieder in kurzen und häufig wiederholten Patterns festsetzt. Gelegentlich gewinnen diese Muster motivisch stärker ausgeprägte Gestalt mit deutlichen Anklängen an traditionelle Satz- und Formtypen wie Scherzo, Trio und Ländler.

Mit Minimal Music kam ich zum einen durch Steve Reich in Kontakt. Ich erinnere mich, dass mich sein „Drumming“ sehr fasziniert hat, schon durch die Länge des Stücks und den Mut zu dieser Länge. Zum anderen waren die frühen Opern von Philip Glass in Stuttgart in einer, wie ich denke, phänomenalen Inszenierung durch Achim Freyer zu sehen.9 Generell denke ich heute, Minimal Music ist ein musikalischer Stil, der ausgebeutet wurde.

Während eines einjährigen Aufenthalts als Stipendiat der Villa Massimo in Rom 1983/1984 komponierte Febel „Das Unendliche“ für Orchester und zwei Singstimmen nach dem gleichnamigen Gedicht von Giacomo Leopardi. Zentrales Strukturmerkmal dieses und anderer Stücke aus der Mitte der achtziger Jahre sind blockartige tonale Akkorde, die so weit aufgesplittert werden, dass jedes Instrument nur einzelne Töne zu spielen hat. Durch die extrem punktuelle Instrumentation geraten die Akkorde und die Klangfarben der verschiedenen Instrumente ins Fließen, so dass ein dem optischen Eindruck der pointillistischen Malerei ähnlicher Höreindruck entsteht. Das für sich genommen relativ einfache, minimalistische Material entfaltet eine komplexe rhythmische und klangliche Eigendynamik. Wie „Das Unendliche“ bestehen auch weite Strecken von Febels Sinfonie für großes Orchester (1985/1986) und seine Oper „Sekunden und Jahre des Caspar Hauser“ (1991/1992) aus Dur-Moll-Dreiklängen oder diatonischen Skalen, die völlig prismatisiert als unregelmäßig einsetzende Einzeltöne über das Orchester verteilt sind. Sie sind Beispiele für Febels Ansatz eines Komponierens „mit“ statt „in“ Tonalität.

Es ist der Versuch, eine neue, persönliche Artikulation dieses Materials zu finden, indem man zum Beispiel auf Stimmen verzichtet und den Satz in einzelne Punkte auflöst, gewissermaßen „digitalisiert“, und – womit ich immer noch befasst bin – im Optimalfall stufenweise Übergänge bekommt, zwischen dem Material zweier Dreiklänge also rein statistisch eine Überblendung oder Grauzone entsteht.

Lösung der Sinnfrage

Febel ist ein genuiner Musikdramatiker. Bis heute vollendete er sieben Opern, zwei weitere sind in Arbeit. Nachdem er mehrfach Musik und Texte kombiniert hatte, gelangte er Anfang der achtziger Jahre fast zwangsläufig zum Musiktheater. In direkter Auseinandersetzung mit dem ersten Opernwerk der Musikgeschichte, der Oper „Euridice“ von Jacopo Peri auf ein Libretto von Ottavio Rinuccini aus dem Jahre 1600, schrieb Febel 1982/1983 seine gleichnamige Kammeroper „Euridice“, die sich dem frühbarocken Vorbild gegenüber in verschiedener Weise mal als Instrumentation, Stilkopie oder Collage verhält. Ähnlich relational auf eine bereits existierende Vorlage bezogen ist die Kinderoper „David und Gollert“ von 1987, die sich an Domenico Cimarosas humoristischen Einakter „Il maestro di cappella“ vom Ende des achtzehnten Jahrhunderts anlehnt. Einige von Febels späteren Musiktheaterwerken wurden durch Kinofilme beeinflusst, etwa „Morels Erfindung“ von 1994 und „Lichtung“ von 2000, die sich Filmen des russischen Regisseurs Andrei Tarkowskij verdanken. Starke Tendenzen zur Dramatisierung und szenischen Ausgestaltung zeigen aber auch viele von Febels sonstigen Vokal- und Instrumentalkompositionen.

Ich habe einfach festgestellt, dass eine innere Assoziation mich beim Komponieren unterstützt. Wenn ich ein Gefühl ausdrücken möchte und irgendeinen konkreten Haken habe, an dem ich das Stück aufhängen kann, kann ich die Sinn-Frage leichter lösen.

Im Chorzyklus „Die vier Zeiten“ nach Gedichten von Philipp Otto Runge folgte Febel zumindest teilweise der von diesem romantischen Maler und Dichter vertretenen Idee der Vereinigung aller Künste zu einem ästhetischen Total, wie es später auch Richard Wagner mit seiner Idee des „Gesamtkunstwerks“ intendierte. Die vier Chorstücke entstanden 1993 und sehen neben Musik und Text auch eine ausgefeilte Licht- und eine rudimentäre Bewegungsdramaturgie für die vier Gesangssolisten vor. Runges gleichnamiger Gedicht- und unvollendet gebliebener Gemäldezyklus über die vier Zeiten ist mit einer Fülle kosmischer, naturhafter und religiöser Bedeutungen aufgeladen. Thematisiert werden der Kreislauf der vier Tageszeiten, der vier Jahreszeiten, die vier Lebensalter, Geburt und Tod, Werden und Vergehen, Auf- und Niedergang. Im Verhältnis zum durchweg ohne Text quasi in­strumental eingesetzten Chor treten vier Vokalsolisten mit textierten Stimmen geradezu opernhaft hervor. Das erste Stück „Morgen“ beginnt bei dunklem Saal und Sternenprojektionen mit leisen Tönen der Bassisten. Das zweite Stück „Tag“ setzt mit „gleißend hellem Licht“ ein und basiert auf einem dynamisch forcierten Vordergrund aus lang gehaltenen Chortönen und einem Hintergrund aus leisen, kurzen Einsätzen. Als dritte Ebene dazu kommen Solosopran und Solotenor mit Auszügen aus dem entsprechenden Runge-Gedicht „Tag“. Indem die langen Haltetöne des Chors nach und nach verkürzt werden und gleichzeitig das Tempo beschleunigt wird, verschwindet allmählich der Unterschied zwischen Vorder- und Hintergrund.

Mein Angriffspunkt war: Wie könnte man dieses von Runge nicht mehr realisierte Projekt irgendwie umsetzen? Der musiktheatralische Ansatz beim Chor war mir auch deshalb wichtig, weil Chormusik eine extrem belastete Gattung ist. Ich versuchte deswegen, davon auszugehen, dass jeder Chorsänger, der ja auch eine eigene Solostimme hat, sich immer als Individuum fühlt. Deshalb soll er möglichst seine eigene Kleidung tragen und seine eigenen Bewegungen machen dürfen, zumindest im kleinen Rahmen und natürlich so, dass die Koordination des Ganzen noch möglich ist. Das war meine bewusste Gegeneinstellung dem Chorgesang gegenüber, den ich als problematisch empfinde.

Robert Walsers Winterreise

Reinhard Febels Liederzyklus „Winterreise“, 1992 komponiert, besteht aus dreizehn unbegleiteten Gesängen für solistische Altstimme nach frühen Gedichten des Schweizer Schriftstellers Robert Walser, der im Alter von fünfzig Jahren freiwillig in eine psychiatrische Heilanstalt eingetreten war, um dort den langen Rest seines Lebens zu verbringen, bis er auf einem seiner vielen langen einsamen Spaziergänge am 25. Dezember 1956 im Schnee den Tod fand. Febel bezeichnete seine „Winterreise“ als eine „dramatische Szene“, die das innere Psychodrama der Walserschen Gedichttexte darstellt und obendrein den Dichter auf seiner Lebenswanderung durch den Schnee zeigt.10

Als Textgrundlage wählte Febel frühe, zwischen 1898 und 1900 entstandene Gedichte Walsers, die auf gestelzte Lyrizismen verzichten und sich durch ungeschnörkelte Liedhaftigkeit von der teils schwül-dekorativen, teils gedankenschweren Jugendstillyrik der vor-vorigen Jahrhun­dertwende unterscheiden, etwa von Richard Dehmel oder Stefan George. Den Ausschlag für die Wahl des Titels „Winterreise“ gaben für Febel Gemeinsamkeiten zwischen Schuberts berühmtem Liederzyklus und den Umständen von Walsers Biographie, der seine eigene „Winterreise“ sozusagen selbst gelebt und seinen eigenen Tod im Schnee in Gestalt des jungen Poeten Sebas­tian aus seinem Roman „Geschwister Tanner“ von 1907 beschreibend vorweggenommen hatte. Zudem entdeckte Febel in der einfachen, volkstümlichen Sprache von Walsers früher Lyrik Parallelen zu den von Schubert vertonten „Winterreise“-Gedichten Wilhelm Müllers, in deren eindrücklichen Winterbildern voller Lebenskälte, Angst, Dunkelheit und Einsamkeit, Hoffnungs-, Fried- und Rastlosigkeit Febel thematische Parallelen zu Walsers Gedichten, Persönlichkeit, Lebensschicksal und Tod erkannte. Aufgrund des einsamen lyrischen Ichs, der Volkstümlichkeit der Lyrik und des Reise-Topos von Müllers Gedicht- und Schuberts Liederzyklus sowie Febels von existentiellem Ausdruck bestimmter Musik handelt es sich auch bei seiner „Winterreise“ um einen romantischen Liederzyklus, dessen halb szenische Dramaturgie Anknüpfungen an die Traditionen von Monodram und Melodram erkennen lässt. Zugleich versucht Febel, die Gattung des romantischen Klavierlieds zu durchkreuzen.

Winterreise“ ist eine Beschäftigung mit dem romantischen Lied und zugleich, was die Besetzung mit nur einer solistischen Singstimme betrifft, eine Gegenreaktion auf die romantische Ästhetik. Nachdem ich mich um die Rechte an den Walser-Texten bemüht hatte, habe ich zunächst eine Version für zwei Frauenstimmen und Orchester zu komponieren angefangen, mit der ich aber bis auf ein fertiges Orchesterlied nicht weiterkam. Mir war klar, dass das wegen der Person Robert Walsers nicht geht, der sich ja so sehr zurückgezogen und eigentlich die großen Formen lächerlich gemacht hat. Seine Romane beschäftigen sich nur mit ganz kleinen Leuten, mit einem Diener, einem Gehilfen, und persiflieren damit im Kleinen Shakespeares Dramen. Von daher hätte Walser eine Orchesterversion seiner Gedichte wahrscheinlich absolut lächerlich gefunden, da bin ich mir sicher. Durch das Arrangieren seiner Gedichte hatte ich dann, ähnlich wie schon Schubert mit Müllers Gedichten, die Möglichkeit, in einem Liederzyklus eine Geschichte zu verstecken. Walser kannte zweifellos Schubert und die Lyrik der Romantik, weil seine frühen Gedichte durchaus romantische Züge haben, mit strengen Metren, Strophen, volksliedhaften Elementen, Naturmotiven, von denen er sich in seinen späten Gedichten dann ganz abgekehrt hat. Heute dem Klavierlied, Leben einzuhauchen, kann sehr reizvoll sein, ist aber sehr schwierig, weil das eine gesellschaftlich so verzopfte Form ist.

Statt Schuberts „Winterreise“ zu zitieren, was bei den beschworenen Parallelen durchaus nahe gelegen hätte, distanziert sich Febel vielmehr von diesem berühmten Liederzyklus wie auch insgesamt von der Gattung des Klavierlieds durch die Wahl der regelrecht nackten Besetzung seiner Lieder mit einer gänzlich unbegleiteten solistischen Altstimme. Allenfalls der Beginn des vierten Lieds „Frieden?“ erinnert entfernt an das absteigende d-Moll-Wanderthema aus Schuberts erstem „Winterreise“-Lied „Gute Nacht“. Das in Walsers Gedicht mehrmals auftretende Wort „still“ wird entgegen seiner Bedeutung von der Sängerin mit langen Spitzentönen geradezu herausgeschrieen, denn Febel nimmt das Fragezeichen hinter dem Gedichttitel „Frieden?“ ernst, um das Scheinhafte und Schreiende der in Wirklichkeit unfriedlichen Stille bloßzulegen. Am Schluss des Lieds rennt das lyrische Ich förmlich gehetzt aus diesem falschen Frieden davon.

Die Solistin verfügt über zwei möglichst große Kieselsteine, die beim Zusammenschlagen hell und laut klingen und so schwer sein sollen, dass sie von der Sängerin gerade noch gehandhabt werden können. Die Steine sind symbolische Requisiten. Sie sollen den „Eindruck schwerer Gewichte“ hervorrufen und wie Bestandteile einer Zeremonie mit großem Ernst behandelt werden. Im siebten Lied werden sie nur vereinzelt wenige Male aneinander geschlagen. In den Liedern acht bis dreizehn, die alle attacca aneinander anschließen, wird das Tempo dagegen kontinuierlich gesteigert und das Schlagen der Kieselsteine zur durchgehenden Folge verdichtet. Im zehnten Lied „Und ging“ bekommt das Klopfen wie bei einer drohenden Herzattacke „mehr und mehr etwas Krampfartiges“. Passend zum Titel „Weiter“ ist das elfte Lied (siehe Beispiel unten) ganz auf Steigerung von Tempo, Dynamik und Tonhöhe angelegt. Lediglich der mehrmals wiederholte Vers „Ich wollte stehen bleiben“ wird immer stärker verlangsamt, als würde der Wunsch, stehen zu bleiben, mit der zunehmenden Hast des ständig zwanghafteren „Weitermüssens“ immer dringlicher. Das vorletzte Lied „Angst“ wird „fast geschrieen“. Am Ende lässt die Sängerin beide Kieselsteine plötzlich zu Boden fallen und erstarrt „als ob alle Kraft von ihr gewichen wäre“. Nach wenigen ziellosen Schritten sinkt sie ebenfalls zu Boden und beginnt, sich im letzten Lied „Wiegen“ in eine sanft pendelnde Walzermelodie einzuwiegen, die sich ganz am Schluss im Unhörbaren verliert. Nachdem die Sängerin die Bühne verlassen hat und das Bühnenlicht ausgegangen ist, bleiben die beiden Kieselsteine wie „Grabsteine“ auf der Bühne liegen. Der Schluss von Febels „Winterreise“ wird damit zu einer Schilderung des stillen Tods des Dichters Robert Walser im Schnee.

Komponieren mit Tempo

Während der neunziger Jahre kam Febel auf Reisen durch Afrika, Japan, Neuseeland, Nord- und Südamerika mit außereuropäischen Musikkulturen in Berührung. Besonders interessierten ihn rhythmische Strukturen und unmittelbar körperliche Wirkungen regelmäßig pulsierender Repetitionen, die in der europäischen neuen Musik nach 1945 zunächst wegen ihrer Affinität zur Marschmusik und später wegen der Nähe zur Beat-dominierten Pop- und Rockmusik diskreditiert und weitgehend verschwunden waren. Mit Rücksicht auf wahrnehmungspsychologische Aspekte versuchte Febel wieder traditionelle Bereiche von Rhythmik, Metrik und Tonalität zu rehabilitieren.

In den „Vier Stücken“ für Violine und Orchester von 1994 komponierte er vier verschiedene Verhältnisse zwischen Soloinstrument und Orchester. Im zweiten Stück verarbeitete er irische Fiddle-Folkmusic für eine nur auf zwei verschiedene Tonhöhen umgestimmte Geige. Die Solovioline versucht dabei immer wieder, andere Orchesterinstrumente mit sich in die Höhe zu ziehen, jedoch vergeblich, da alle anderen in ihrem Tonumfang beschränkter sind als die Geige, der sie irgendwann nicht mehr folgen können. Das vierte Stück ist die freie Übertragung eines sogenannten „Gumboot-Dance“, den Febel unter südafrikanischen Grubenarbeitern kennenlernte. Bei diesem „Gummistiefel-Tanz“ schlagen sich die Männer in synchronen Rhythmen wie bei einem bayerischen Schuhplattler gegen die Stiefel. Begleitet werden sie von einem einzigen Gitarren-Akkord und einer Ziehharmonika mit einem Cluster ausschließlich auf den weißen Tasten. In Febels Orchesterversion des Tanzes werden aus der Ziehharmonika Streicher-Flageoletts und aus dem Vortänzer die Solovioline. Indes blieb dieser Satz Febels einziger Versuch, außereuropäische Musik zu adaptieren. Statt sich kompositorisch weiter in Richtung „Weltmusik“ und inter- oder transkultureller Ansätze zu entwickeln, wendete er sich ab Mitte der neunziger Jahre mit seinem Orchester-Triptychon wieder dezidiert der europäischen Romantik von Schubert, Schumann und Chopin zu.

Ich bin davon abgekommen, weil die Bezüge, die mich wirklich interessieren würden, etwa Mikropulse, schon zum Beispiel von György Ligeti – der es sich dabei aber manchmal auch etwas einfach gemacht hat – und der Minimal Music thematisiert wurden, und weil die Konsequenzen, die das zur Folge hätte, mich vom westlichen Instrumentarium, das mir doch wichtig ist, zu weit weg geführt hätten. Bei afrikanischer Musik etwa müsste ich eigentlich ganz andere Skalen studieren und mit Mikrotönen arbeiten, was mir aber nicht so vielversprechend schien. Für strukturelle Dinge, die mir am Herzen liegen, ist das westliche Orchester einfach nach wie vor am geeignetsten, auch weil die Notation eben eine Spezialität und ein ganz entscheidendes Element der westlichen Musik ist.

Die Anregungen durch afrikanische Musik hatten aber immerhin zur Folge, dass Febel in den vergangenen Jahren verschiedentlich den Versuch unternahm, das sonst während eines Stücks zumeist gleichbleibende Tempo und Metrum durch übergeordnete Ritardando- und Accelerando-Verläufe zu flexibilisieren. Er folgte damit einer Idee von Elliott Carter, der bereits in den fünfziger Jahren Überlegungen zur rhythmischen Modulation von einem Tempo zum anderen angestellt hatte, analog zur Modulation von einer Tonart zur nächsten. Als konkretes Vorbild diente Febel Conlon Nancarrow, der in seinen in Lochkartenstreifen gestanzten Kompositionen für Selbstspielklavier die Tempi innerhalb eines Stücks stufenlos modifiziert hatte, teils von einem Extrem ins andere.

In derselben Weise wie das Tempo unterwarf Febel auch die Tonhöhen und die Intonation lang gestreckten Schwankungen und Veränderungsprozessen. Analog zu seiner früheren Idee eines Komponierens „mit“ Tonalität statt „in“ Tonalität, wollte er nicht mehr einfach in Parametern komponieren, sondern die Parameter selbst gestalten. Statt für ein ganzes Stück ein einziges Tempo mehr oder minder verbindlich vorzuschreiben, unterzog er es verschiedenen kontinuierlichen Beschleunigungen, Verlangsamungen oder mehrfach sich überlagernden, auch gegenstrebigen Tempoverläufen. In gleicher Weise dynamisierte er die Tonhöhen zu übergeordneten Glissandoverläufen, so dass durch den permanenten Veränderungsprozess auch scheinbar identisch wiederholte Motive stets in veränderter Gestalt erscheinen.

Das sind eigentlich zwei Dinge. Das eine ist die für mich tatsächlich immer stärker gewordene Faszination dafür, dass ich mir vorstelle, was passiert, wenn ich die zwei Koordinaten der Musik gewissen Prozessen unterwerfe, nämlich zum einen die Tonhöhen beziehungsweise die Senkrechte, und zum anderen die Zeit, in der sie ablaufen, also die Waagrechte. Das war für mich der Auslöser all dieser Überlegungen: nicht die Töne werden verändert, sondern bereits deren Maßeinheiten selbst. Schiefe Gebäude, schräge Häuser, sage ich gerne dazu. Die Tonhöhen verändern sich im Laufe eines Werks anhand gewisser Kurven, die ich vorher berechnet habe, oder auch das Tempo verändert sich, das Stück wird immer schneller. Das ist ein ganz komplexer Vorgang. Was ein Accelerando ist, scheint so klar zu sein, ist es aber keineswegs. Das sind sehr komplizierte Verläufe. Und wie soll ich die simulieren? Auf jeden Fall ist der Rahmen, in dem das Stück hängt, schief, und damit ist das ganze Bild schief. Das fasziniert mich sehr. Hinzu kommt noch etwas anderes, was schon lange in der Musik herumspukt, auch in der bildenden Kunst, wo man bis Salvador Dalí zurückgehen kann, um es zu finden. Es ist die Idee der Selbstähnlichkeit oder des Selbstbezugs. Was passiert, wenn ich ein Objekt so lange verändere, bis es ganz etwas anderes geworden ist, dieses ganz andere aber wieder es selbst ist, also ein Selbstbezug entsteht. Die Strukturebenen beschleunigen sich, indem sie eine Endlosschleife bilden, bei der am Ende eines beschleunigten Abschnitts die doppelte Geschwindigkeit erreicht wird, die jedoch schon zu Beginn in diesem Abschnitt enthalten war und also bloß wiedererreicht wird. Zusammen mit einer Beschleunigung entstehen so Spiral-Formen, wie bei einer Wendeltreppe. Ein Stück wird immer schneller und kreist doch zugleich auf der Stelle. Die gerade Ebene eines Tempos wird ersetzt durch eine schiefe Ebene. Das ist schwer zu erklären, aber man kann es beim Hören ganz gut nachvollziehen. Es ist einfach eine andere perspektivische Vorstellung von Musik: man stellt einen Satz nicht einfach auf einen Sockel, der eine gleichbleibende Basis bildet, sondern dieser Sockel ist an sich schon schief, so dass sich auf ihm alles abgleitend beschleunigt. Mit dem Material hat das nicht unbedingt etwas zu tun. Es ist eher wie ein schwarzes Loch, in das ich alles hineinkippen und dann schauen kann, was daraus passiert.

In seinen zwei zusammengehörenden Stücken für neunzehn Streicher „Sculpture“ und „Motion Picture“ (1998) überlagert Febel wechselseitig Ritardando- und Accelerando-Verläufe. Ausgangspunkt der Komposition war die Idee der Gegensätzlichkeit der beiden Künste Musik und Plastik, die hinsichtlich der Behandlung der Dimensionen Zeit und Raum zwei Extreme bilden. Während sich Musik vor allem in der Zeit entfaltet und den räumlichen Aspekt zumeist vernachlässigt, ist die Räumlichkeit einer Skulptur unabhängig von der Zeit, da sich die Skulptur in der Regel nicht selbst bewegt, sondern nur den Ausschnitt einer Bewegung beziehungsweise den Augenblick vor oder nach einer Bewegung zeigt. Die Wahrnehmung der Skulptur indes erfolgt durchaus zeitlich, da ein dreidimensionaler Gegenstand von einem Betrachter nur der Reihe nach von vorne und hinten, links und rechts, oben und unten wahrgenommen werden kann, nie aber von allen Seiten gleichzeitig. Dementsprechend beginnt das erste Stück „Sculpture“ mit einzelnen Tönen, die sich nach und nach über den gesamten Streicherapparat verteilen und allmählich zu einem homophonen Cluster verdichten, als würde der Hörer nach und nach eine Klangskulptur von allen Seiten betrachten und seine sukzessiven Wahrnehmungen zum Gesamteindruck addieren. Anschließend wird der Cluster von innen heraus belebt und so weit beschleunigt, dass er wieder in seine Einzeltöne zerfällt. Der Bogen schließt sich: die Skulptur wurde einmal umrundet.

Schubert-Fantasie

Mit flexiblen Tempostrukturen und vagierender Tonalität arbeitet Febel auch in seinen drei jüngsten Orchesterwerken, die sich mit herausragenden Vertreter der romantischen Klaviermusik auseinandersetzen: mit Franz Schubert, Robert Schumann und Frédéric Chopin. Erwogen hatte Febel zeitweilig an Stelle des Chopin-Stücks eine Komposition über Johannes Brahms, die er aber verwarf, weil er den Eindruck hatte, Brahms komponiere mit seiner romantischen Musik selbst bereits in klassizistischem Sinne Musik über Musik, so dass ein neuerlicher kompositorischer Umgang mit seiner Klaviermusik statt einer zweiten bereits eine dritte Ebene schaffen würde. Febel thematisiert in dieser Orchester-Trilogie das Klavier als romantisches Seelen-Instrument und Alter Ego der genannten Komponisten. Die Stücke zu Schubert und Schumann bezeichnet er im Ober- oder Untertitel als „Fantasie“, also mit einem Schlüsselbegriff der Romantik. In Abgrenzung von den klassischen Formen wie Sonate oder Konzert und derem Regelkanon wollten die Romantiker mit diesem neuen Gattungsbegriff die größere formale Freiheit und Diversität der Themen und Charaktere betonen: das Schweifende, Wandernde, Regelwidrige, Über- und Unwirkliche. In den Werktiteln der genannten Komponisten schlug sich der Begriff „Fantasie“ gleich mehrfach nieder. In Schuberts Œuvre begegnet er neben sieben weiteren Klavierstücken in der berühmten „Fantasie“ in C (Der Wanderer) D 760. In Schumanns Schaffen sind es die frühe „Phantasie“ C-Dur opus 17, die späte „Phantasie“ für Violine und Orchester opus 131 sowie die „Phantasiestücke“ opus 12, 73, 88 und 111 für verschiedene Besetzungen mit Klavier und kammermusikalischen Formatio­nen. In Chopins Œuvre schließlich sind es die „Fantaisie sur des airs nationaux polonais“ opus 13, die „Fantaisie“ opus 49, die „Polonaise-Fantaisie“ opus 61 und das „Fantaisie-Impromtu“ posthum opus 66.

Im ersten Stück von Febels Orchester-Triologie, der „Fantasie über ein Thema von Franz Schubert“ für Orchester (1997), spielt ein Pianist – wenn möglich auf einem Hammerflügel der Schubert-Zeit – gleich zu Anfang den „Ländler“ Nummer 5 aus Schuberts berühmten „Zwölf Deutschen Tänzen“ opus posthumus 171, D 790. Schuberts Stück zeichnet sich durch Dur-Moll-Ambivalenzen und ganztaktige Septimen- und Nonen-Vorhalte aus. Melodie und Harmonik erhalten dadurch einen schwebenden, verschleierten Charakter. Diesen gleichsam flächigen Umgang mit Harmonien, Vorhalten und extensiven Zeitproportionen steigert Febel ins Extrem, bis er seine analytische Umgangsweise mit Schubert auf dem Höhepunkt des Stücks wieder in die auratische Emanation des Originals umschlagen lässt.

Formal betrachtet ist das Schubert-Stück ein Variationssatz, aber ein absurder, weil dieser „Ländler“ sich nur ständig wiederholt, am Anfang aber so langsam und am Ende so schnell ist, dass man das nicht merkt. Außer dem Tempo wird sonst gar nichts variiert, weshalb ich das Stück nicht Variatio­nen“ nennen wollte, sondern „Fantasie“. Zudem ist die Form eine phantasierte oder assoziierte, die sich aus dem Material ergeben hat. Den „Ländler“ habe ich gewählt wegen seiner relativ reichhaltigen Harmonik, weil er in Moll steht, daher größeren Reichtum ermöglicht, und weil er außer dem Ton c alle zwölf Töne enthält und von mir in alle zwölf Tonarten transponiert wird. Es war eine glückliche Fügung, dass ich so schon alle zwölf Töne hatte, bis auf den einen, den dann die Blechbläser ab und zu von außen hineinschieben.

Nach solistischem Beginn des Klaviers setzen sukzessive die Streicher ein, indem sie einzelne Töne der Melodiestimme entweder als Pizzikati oder gehaltene Tremoli aufgreifen. Während sich – wie bei Schubert – immer mehr harmoniefremde Töne überlagern, wird das Original im Klavier immer leiser, bis es schließlich in einer flirrenden Streicher-Fläche völlig verschwindet. Hier haben die Streicher bei durchgehendem Tremolieren fließend die Anstrichstelle bis fast auf den Steg zu verlagern, so dass statt realer Tonhöhen nur noch atmosphärisch-diffuses Rauschen entsteht. Mit Auflösung der Tonhöhen wird schließlich auch der letzte Rest von Schuberts Ländler bis zur Unkenntlichkeit pulverisiert. Der Zerstäubung des Themas folgt seine erneute Beschwörung im zweiten Formteil. Tatsächlich leitet Febel sämtliches Material aus Schuberts „Ländler“ ab. Ab Takt 73 greift er zunächst die charakteristischen Leittonvorhalte auf, streckt sie aber über mehrere Takte, so dass sie nicht als solche erkennbar sind. Das musiksprachliche Mate­rial wird sprachlos verwendet.

Gleichzeitig wird das Anfangstempo = 60 MM nach und nach über = 80, 116, 174, 522 et cetera um ein Vielfaches so weit gesteigert, bis das Ländlerthema schließlich wieder seine vertraute melodische Kontur gewinnt. Um diese extreme Beschleunigung überhaupt notieren zu können, springt der Notentext an bestimmten Schnittstellen jeweils in nächst kleinere Dauernwerte, Achtel, Sechzehntel-Triolen, Sechzehntel und Sextolen, während sich das durchgängig in Vierteln notierte Tempo an diesen Stellen auf die Hälfte verlangsamt, damit es von hier aus jeweils in einem weiteren Anlauf erneut um das Doppelte gesteigert werden kann. So wird beispielsweise ab Takt 200 das alte Tempo = 116 durch die neue Tempoangabe = 58 ersetzt und tritt gleichzeitig an die Stelle des bisherigen Grundrhythmus in Achteln der doppelt so schnelle Grundwert Sechzehntel. So bleibt derselbe durchgehende rhythmische Impuls erhalten, der sich von hier aus weiter steigern lässt, bis es an der nächsten Schnittstelle bei fortgesetztem Grundpuls erneut zum Umschlag von Tempo und Rhythmus kommt.

Zunächst ist das daraus resultierende kontinuierliche Accelerando kaum merkbar. Schließlich zeitigt es jedoch deutlich hörbare und im Schriftbild der Partitur sichtbare Folgen. Dabei überschneiden sich zwei gegenläufige Tempobewegungen. Während das anfänglich diffuse Tremolo der Streicher immer klarere rhythmische Konturen gewinnt, also immer stärker verlangsamt und schließlich in exakten Dauernwerten ausnotiert wird, treten an die Stelle der anfangs über mehrere Takte gebundenen Liegetöne immer bewegtere klare Tonfolgen, die schließlich – wie die unterdessen wiederholt einsetzenden Bläserakkorde – ihre Verwandtschaft mit Schuberts Ländler zu erkennen geben, der endlich im Klavier bei Takt 205 wieder einsetzt. Dennoch geht die Beschleunigung weiter, so dass sich das Thema nach und nach wieder in eine flirrende Klangfläche aus mikrologisch bewegten Sextolenketten auflöst, bis auch diese sich wie zu Anfang des Stücks in Tremoli verlieren.

Ein ähnlicher Prozess ereignet sich auf harmonischer Ebene. Analog zu den Tempoveränderungen transponiert Febel das Schubert-Material durch alle zwölf Tonarten des Quintenzirkels. Die Originaltonart Fis-Dur des Ländlers erscheint dabei erst mit Erreichen von dessen Originaltempo. Nur während des flüchtigen Augenblicks, in dem das ständig progredierende Tempo mit Schuberts Originaltempo zusammenfällt, kommt es auch zur Identität des harmonisch ständig vagierenden Gesamtverlaufs mit Schuberts Thema, das hier zugleich in seiner Originalbesetzung mit Hammerklavier zu hören ist. Veranschaulichen lässt sich der ganze Vorgang mit zwei parallel laufenden Zügen, von denen der erste bereits mit einer bestimmten Geschwindigkeit unterwegs ist (Schuberts eingangs exponierter Länder), während der zweite (Febels Stück) erst ganz langsam anfährt, um immer weiter zu beschleunigen, schließlich den ersten Zug zu erreichen und einen Moment lang neben diesem im selben Tempo und auf denselben Tonhöhen herzufahren, so dass beide Züge in allen Details mit Lokomotive, Wagen, Fenstern, Rädern deckungsgleich sind, bis dann der zweite Zug den ersten überholt, immer schneller wird und endlich so weit hinter sich lässt, dass er vollständig aus dem Blick verschwindet.

Schumann-Psychogramm

Bevor sich Febel in seinem Orchester-Triptychon Schumann zuwandte, hatte er bereits in „Innere Stimmen“ für Klavier solo von 1982 pianistische Echo- und Resonanzeffekte aufgegriffen, wie er sie in Schumanns Klavierwerken kennengelernt hatte. Um die Verbindung zu diesem historischen Vorbild zu verdeutlichen, zitiert er im dritten Satz „Hastig“ den ebenfalls „Hastig“ überschriebenen Abschnitt aus der „Humoreske“ opus 20, in dem Schumann in einem dritten System zwischen rechter und linker Hand eine „innere Stimme“ notiert. Auch Febel komponierte eine solche „innere Stimme“ in einem dritten und teilweise sogar vierten Notensystem. Dabei handelt es sich um eine Art Zusammenfassung der Figurationen des gesamten Klaviersatzes, die nicht selbst gespielt werden, sondern lediglich aufgrund der mit Tonhaltepedal fixierten Tasten als geheimnisvolle Resonanz aus dem Inneren des Instruments mitklingen sollen. Die übrigen Sätze enthalten – wenn auch auf andere Weise – ebenfalls „innere Stimmen“. Auch sie gleichen Liedern mit zum Schweigen gebrachter Singstimme. Neben eigenen pianistischen Erfahrungen verdankt sich Febels Vorliebe für Schumann den teilweise nachgerade experimentellen Eigenschaften von dessen Klaviermusik.

An Schumann fasziniert mich die unglaublich spekulative Art, mit den grundlegenden Eigenschaften des Materials umzugehen: im „Carnaval“ aus einer kleinen Notenzeile zu versuchen, einen Kosmos an Möglichkeiten zu schaffen; in „Kreisleriana“ zu versuchen, extremste Beschleunigungen, Gegensätze und eigenartige Schlusswendungen auszuprobieren; oder auch in weniger bekannten Stücken wie der dritten Klaviersonate f-Moll „Konzert ohne Orchester“ mit unglaublichen Längen zu operieren, oder mit verschobenen Akzentuierungen über lange Zeiträume … Vielleicht kann man so sagen: Es ist die unglaublich glückliche Mischung zwischen der Emphase der romantischen Gefühlswelt und einem spekulativen Experiment, das dem normalen Konzertpublikum oft nicht so bewusst sein dürfte, aber ich finde, das charakterisiert Schumann sehr gut.

Die zweite Hommage-Komposition von Febels „romantischer“ Orchester-Trias trägt unter dem Obertitel „Sphinxes“ (2003) wie das Schubert-Stück den Untertitel „Fantasie“. Sie ist Robert Schumann gewidmet und beleuchtet im Medium des großen symphonischen Apparats bestimmte Strukturphänomene, wie sie Febel sowohl in Schumanns frühen Klavierwerken entdeckte als auch in eigenen jüngsten Klavierwerken selbst formulierte.

Der Titel „Sphinxes“ ist ein Begriff, den Schumann in seinem „Carnaval“ für die Noten Es-C-H-A; As-C-H; A-Es-C-H verwendet, die die Keimzellen seines ganzen Stücks bilden und auf seinen Namen, auch auf andere und auf Orte verweisen. Dieser Aspekt des Spekulativen ist hervorzuheben, weil man ihn bei Schumann eventuell nicht vermutet. Gerade zur Zeit der frühen bis mittleren Romantik, die sich mit dem „Kapellmeister Kreisler“ von Ernst Theodor Amadeus Hoffmann, also einem eher, sagen wir mal Verrückten identifiziert hat, sucht man vielleicht gar nicht nach Material, wie man es woanders tun würde. Ich finde es natürlich sehr interessant, das bei Schumann trotzdem zu tun. Ich entdecke bei ihm auch Überlegungen, was extreme Tempi betrifft. Schnebel hat das übrigens sehr gut in seinem phantastischen Aufsatz „Verrückungen“ beschrieben.11 Meiner Ansicht nach arbeitet Schumann ganz bewusst mit Tempi oder mit dem Aufbau eines Werks, das am Ende zu einem nicht machbaren Tempo führt. Das ist also kein Fehler, sondern bewusst kalkuliert, wie zum Beispiel in den „Novelletten“. Auch Takte verschiebt Schumann so, dass es unmöglich wird, die Taktart oder zumindest den Schwerpunkt festzustellen. Ich versuche, das in meinem Stück zu kommentieren oder sozusagen bewundernd durch kleinere Zitate in die „Sphinxes“ einfließen zu lassen.

Febel zeichnet in „Sphinxes“ die Entfremdung Schumanns von sich und seiner Umwelt während seiner letzten verdüsterten Jahre in der psychiatrischen Heilanstalt in Endenich bei Bonn instrumentatorisch nach.12 Der kollektive Orchesterapparat und das solistische Klavier sind konsequent gegeneinander „verrückt“, sowohl zeitlich als auch harmonisch und klanglich. Stimmkreuzungen der Zentraltöne c und h in Klavier und Violinen deuten auf Clara Wiecks „Davidsbündler“-Namen „Chiara“. Durch die Töne a, es und as werden sie zu den Drei- und Viertonfiguren aus Schumanns „Carnaval“ opus 9 ergänzt, den sogenannten „Sphinxes“, mit denen Schumann seinen eigenen Namen und den des Aufenthaltsorts Asch seiner damaligen Geliebten Ernestine von Fricken verschlüsselte. Daneben finden sich weitere Tonzitate, das dis als enharmonisch verwechselter, gleichsam sich selbst fremd gewordener Namenston Schumanns sowie eine Reihe von Zitaten aus dem Klavierkonzert opus 54, den „Kinderszenen“ opus 15 und der „Humoreske“ opus 20.

Das letzte Viertel des Stücks (ab Takt 325) basiert auf einem lang gestreckten Accelerando, das den widerstreitenden Bewegungskräften des Schlussabschnitts des sechsten Stücks von Schumanns Klavierzyklus „Kreisleriana“ opus 16 folgt, wo zur Anweisung „Etwas bewegter“ gleichzeitig zweimal ein „ritard.“ notiert ist. Febel macht diese gegenstrebige Fügung von Schneller und zugleich Innehalten zu einem Psychogramm von Schumanns galoppierendem seelisch-körperlichem Verfall. Der gesamten Passage unterlegt er zunächst unmerklich, dann immer deutlicher das punktierte Hauptmotiv dieses „Kreisleriana“-Satzes, das nach und nach pro Instrumentengruppe um das doppelte Tempo gesteigert wird, während versetzt andere Gruppen mit rhythmisch augmentierten Varianten desselben Motivs beginnen, die dann ihrerseits auf das doppelte Tempo beschleunigt werden, so dass sich mehrere Accelerando-Schichten zu einem hochgradig dynamischen Gesamtverlauf mit sogartiger Wirkung überlagern.

Wie der in sich und seine Wahnvorstellungen eingesponnene Schumann verfängt sich Febels Musik in einer Spirale ohne Entrinnen. Das Geschehen schraubt sich mit jeder Volte um einen Ganztonschritt nach oben in die höchsten Höhen bis über die Grenzen des Klavierklangs hinaus, so dass der Pianist – am Ende der Tastatur angelangt – schließlich abbrechen muss. Höher und schneller geht es nicht. Die Musik verrennt sich, entgleitet, driftet ab, wird immer nervöser, schriller, lauter, bis das ursprünglich tänzelnde Motiv als konvulsivisch verzerrte, schreiende Fratze erscheint. In programmatischer Parallelführung zum Schicksal des Romantikers bricht das Geschehen schließlich zusammen und verliert sich im Nichts.

Das Stück soll, ganz grob gesprochen, einen mikrohistorischen Ablauf der Lebenszeit Schumanns und seiner Beziehung zu Clara abzeichnen. Die Beschleunigung gegen Ende bezieht sich auf ein Zitat. Schumann hatte, so wie das überliefert ist, ja wohl akustische Halluzinationen und irgendwo schreibt er, er höre permanente Klangfolgen, die niemals kadenzieren.

Chopin-Memorial

Aus dem Nichts kommt und im Nichts verschwindet auch das dritte Stück von Febels Orchester-Triptychon. Die „Berceuse avec cauchemar“ für Orchester (2007) beginnt mit tremolierten Flageoletts der Violoncelli in vierfachem Piano auf der Seufzersekunde ges-f, die langsam anschwellen und in Takt 20 zum Einsatz der Geigen und Bratschen mit einem auf demselben Zentralintervall basierenden Motivfragment von Frédéric Chopins „Ber­ceuse“ Des-Dur opus 57 führen. Zwei Takte später setzt das Klavier mit dem Original-Zitat dieses Stücks ein, das Febel bis Takt 75 komplett in einem eigenen System am unteren Rand der Partitur notiert.

Chopin zeigt sich in diesem Klavierstück von 1844 als eine Art Vorläufer der Minimal Music oder als Proto-Satie. Ähnlich der „Trois Gymnopédies“ von Erik Satie basiert Chopins „Berceuse“ in der linken Hand durchweg auf einer einzigen ostinaten, zwischen Tonika und Dominante hin und her wiegenden Dreiklangs-Begleitfigur, die nur ein einziges Mal kurz in die Subdominante Ges-Dur moduliert. Darüber spielt die rechte Hand vierzehn Variationen, die das konventionelle Bassschema teils ohne Rücksicht auf funktionsharmonische Regeln mit fremden Harmonien und regelrecht bitonalen Schichtungen überlagern. Während die linke Hand immer dasselbe spielt, versteigt sich die rechte umso mehr in zarte Arabesken, mehrstimmige Verzweigungen und immer virtuosere Figuralvariationen, Umspielungen, perlende Läufe, rhythmische Abspaltungen, Repetitionen, Vorschläge, Chro­matisierun­gen, Triller et cetera. Tatsächlich sah Chopin für sein Stück ursprünglich den Titel „Variantes“ vor.

Chopins „Berceuse“ ist zwar ein Zugabestückchen, aber zugleich außergewöhnlich eigenartig, eine Passacaglia nur über einen einzigen Takt, der gleichzeitig die Töne der ersten und fünften Stufe enthält. Auch hinsichtlich seines Lebenslaufs ist dieses Stück interessant, denn Chopin hat es in seinem letzten Londoner Konzert als Zugabe gespielt, also als Abschiedsstück. Ich glaube, deswegen behaupten zu dürfen, dass er als Schwerkranker mit diesem Wiegenlied mehr meinte, als nur ein Schlaf­lied, das ist – glaube ich – leicht zu verstehen und anhand der eigenartigen Musik nachzuvollziehen. Übrigens steht die „Ber­ceuse“ wie das Brahmssche Schlaflied „Guten Abend, gute Nacht“ in Des-Dur. Als Vorlage ist sie wegen der Reduktion des Materials auf einen Takt interessant, zumindest was die linke Hand betrifft, und weil sie sehr dissonanzenreich ist, man das aber nicht wirklich hört. Dieses Ostinato in Des-Dur geht mit der rechten Hand en passant die unmöglichsten Zusammenhänge ein. Das scheint mir schon diese vielleicht etwas jenseitige Färbung zu liefern.

So wie Chopins effektvolles Bravourstückchen auf einer einzigen wiegenden Folie aufbaut, nutzt seinerseits Febels „Berceuse avec cauchemar“ die Chopinsche „Berceuse“ als Folie zur Darstellung der existentialistischen Nachtseite von Chopins apollinischer Contenance. Bereits nach wenigen Takten, in denen das Klavier solistisch unverfälschten Chopin spielt, wandert das Klavierthema nacheinander in Holzbläser, Geigen, Harfe, Solovioline, Hörner, Blechbläser, während das Klavier schließlich nur noch vereinzelt mit der wiegenden Begleitfigur einsetzt. An die Stelle des monochromen Klavierklangs tritt die volle Farbpalette des großen Orchesters. In konsequent durchbrochener Arbeit wandern Begleitung und thematische Figurationen durch alle Instrumente, oft von Ton zu Ton oder zwischen kleinsten Motivkernen. Analog zu Chopins Variationen desselben Themas beleuchtet so Febel die Chopinschen Variatio­nen ständig neu.

Erst ab Takt 69 erfährt das strahlend helle „Lullaby“-Thema eine Wendung ins Dunkle, Dämonische, eben zur „Berceuse avec cauchemar“, das heißt zum „Wiegenlied mit Alptraum“, zur umdüsterten Geister-, Spuk- und Nachtromantik. Die Geigenfigurationen und Posaunen-Akkorde sacken hier mehrmals um einen Viertelton ab, während das übrige Orchester die Intonation beibehält. Die Figurationen des Themas verrutschen förmlich, klingen verstimmt, fremdartig verzerrt und verbeult wie bei einem Gang durch ein Spiegelkabinett. Ab Takt 76 notiert Febel auch nicht mehr Chopins „Berceuse“ in der Partitur. Das Orchester verliert sukzessive seine Vorlage und damit auch seinen festen Halt, thematisch, harmonisch, rhythmisch, klanglich. Chopins Musik löst sich auf, zerfällt in Einzelteile und weicht schließlich einer thematisch ungebundenen Klangfläche aus wechselseitig sich überlagernden Klarinetten-Lineamenten (ab Takt 89), an deren Stelle dann eine ihrerseits zunehmend zerstäubte Textur aus dissoziierten Klangpunkten tritt. In Takt 142 schlägt diese totale Auflösung plötzlich um in einen Tutti-Marschgestus mit im Fortissimo stampfenden Achtelrepetitionen der tiefen Streicher und schreienden Non- und Dezimsprüngen der Holzbläser und Geigen. Der gesamte zweite Teil des Stücks basiert auf Abwandlungen des immer wieder gleichen Begleittaktes von Chopins „Berceuse“. Unterbrochen von auffahrenden Läufen der tiefsten Bässe bis zur höchsten Geigenlage, weicht diese gewaltsame Uniformierung des Orchesterklangs ab Takt 179 wieder derselben Dissoziations-Passage wie zuvor.

Der Schluss wird Takt 228 eingeleitet durch erneutes Einsetzen des Pianisten mit Chopins „Berceuse“ im „Tempo primo“, zunächst zart von den Streichern grundiert, dann für einige Takte völlig unverstellt solistisch als sei es das Original selbst. Unvermittelt abgeschnitten wird dieser Rückgriff in Takt 235 durch polyrhythmische Repetitionen, die sich zu einer großen Orchesterwelle „fff con tutta la forza“ verdichten, die dann aber erneut so weit ausdünnt, dass der Pianist in Takt 266 abermals mit Chopins Stück einsetzt als sei nichts geschehen. Das schließlich auf einem Akkord stagnierende, müde sich auspendelnde Thema weicht endlich leisen Tremolo-Schwellern in e-Moll wie zu Beginn des Stücks. Der Dreiklang ist laut Febel eine Gegenwelt, da er sich aus denjenigen Tönen zusammensetzt, die in Chopins Stück nicht vorkommen. Wie im Fall der Schumann-Hommage drängten sich Febel Parallelen zu Chopins Lebensende auf. Die atemhaft an- und abschwellenden Streichereinsätze des Anfangs und des verhauchenden Schlusses mögen an Chopins Lungenkrankheit gemahnen, an der er 1849 im Alter von neununddreißig Jahren verstarb.

Formal hatte ich die Idee, der „Berceuse“ ein „Cauchemar“ als zweites Stück folgen zu lassen, in dem die Figur der linken Hand so wie ein „Tagesrest“ – könnte man vielleicht sagen – verändert wird: gedehnt, gestaucht, verlängert, verschoben, transponiert. Fast alles ist aus dieser Figur abgeleitet, vielleicht wie das Abbild dessen, was in einem Traum alles abläuft. Ich habe mich dabei auch auf Briefe Chopins aus Schottland bezogen, wo er schreibt, er befinde sich in einer seltsam nebelhaften, melancholischen Stimmung, so wie ihm auch das ganze Land vorkäme. Mir ist es ein vollkommenes Rätsel, wie jemand, der lungenkrank ist, beschließen kann, nach Schottland zu reisen, um dort in einem kalten, zugigen Herrenhaus seine Zeit zu verbringen. Das hat ja etwas Selbstquälerisches und ist jedenfalls schlichtweg grotesk. So versuche ich, für mich wenigstens, in meinem Stück ein anderes Chopin-Bild anzudeuten, er war auch eine tragische Figur.

Die sich ständig überbietenden Lineamente, kräuselnden Wellen und Ausschläge der Oberstimme von Chopins „Berceuse“ gleichen einer Fieberkurve, der gegenüber die komplett statische Unterstimme geradezu reglementiert und zwanghaft gedeckelt wirkt. Die Ursachen für das virtuose Bewegungsmaß und breite Ausdrucksspektrum entstammen jedenfalls nicht dem stereotypen Begleitschema. Sie müssen woanders liegen, vielleicht tiefer, so dass sich eine psychologische Lesart aufdrängt. Unter- und Obersatz erscheinen wie das Unbewusstsein beziehungsweise das von dessen dunklen, undurchschaubaren Kräften und Quellen getriebene Ich. Damit korrespondierend liegt eine literaturhistorische und sozialgeschichtliche Deutung nahe. Die erste Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts war sowohl die Epoche der unheimlichen Nacht- und Schauerromantik an der Schwelle zum Realismus als auch die Epoche des politisch gegängelten Biedermeier und brodelnden Vormärz vor den 1848er Revolutionen in halb Europa. Es handelt sich um die Zeit der Entdeckungen von Mesmerismus, Magnetismus, Elektrizität und deren Einfluss auf das menschliche Nervensystem und Seelenleben. Die Seele als innerer Kosmos mit verstörendem Unterbewusstsein, mit Nacht, Traum, Traumata und Sexualität finden dichterischen Ausdruck etwa im Schatten- und Ich-Verlust von Adelbert von Chamissos „Peter Schlemihls wundersamer Geschichte“ (1814), in Ernst Theodor Amadeus Hoffmanns traumatischen Geschichten „Olympia“ oder „Der Sandmann“ aus den „Nachtstücken“ (1817), in der alptraumhaften Antiutopie von Mary Shelleys „Frankenstein oder der moderne Prometheus“ (1818), in Victor Hugos „Der Glöckner von Notre Dame“ (1831), in der existentiellen Erfahrung des Menschen als Abgrund in Georg Büchners „Woyzeck“ (1836/37) oder im Weltschmerz von Lord Gordon Byron und der jungen George Sand, mit der Chopin von 1838 bis 1846 zusammenlebte.

Die politische Situation und Literatur der dreißiger und vierziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts fanden auch ein Echo in Chopins Balladen, Klaviersonaten, Nocturnes und Etüden voll brodelnder Leidenschaft, kaum jedoch in seinen Salonpiècen wie der „Berceuse“. Statt das kompositorische Potential dieses Stücks werk­immanent auszuloten und durch die Transformation ins große Sinfonieorchester aus dem Blickwinkel der Musik vom Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts zu kommentieren, projiziert Febel vielmehr Teile von Chopins Biographie und ihres sozial-, literatur- und geistes­­geschichtlichen Zeithorizonts auf dieses Stück zurück. Dass Febel die alptraumhafte Wendung von Chopins harmlosem Schlummerlied dabei weniger zwingend aus diesem selbst herausliest als vielmehr in dieses hinein legt, deutet die additive Formulierung seines Werktitels „Berceuse avec cauchemar“ an. Sein Zugriff auf die „Berceuse“ bleibt kommentierungsbedürftig und illustrativ, denn er erfolgt nicht primär musikalisch, wie im Fall des Schuberts- und Schumann-Stücks, sondern kontextualisierend von außen.

Ende des Schusters

So wie Febel aus der Vorlage von musikdramatischen Sujets, Texten, Gemälden oder sonstigen Gegenständen für sich die Kraft zur Beantwortung der Sinnfrage seines Komponierens zieht, regt ihn auch bereits existierende Musik zur Komposition eigener Werke an. Seine drei Orchesterwerke über die romantischen Klavierkomponisten Schubert, Schumann und Chopin sind nur späte prominente Beispiele für weitere relationale Musikwerke, die er seit „Charivari“ komponierte. Indem er das Material seiner Hommage-Kompositionen aus Stücken der Romantik ableitet, bindet er seine eigene Musik an diese Tradi­tion zurück und verdeutlicht umgekehrt die innovativen Aspekte der Musik der Vergangenheit. Und genau diese innovativen Aspekte sind es, die uns die ältere Musik, die wegen ihrer Omnipräsenz im Musikleben zumeist als altbekannt, vertraut und selbstverständlich missverstanden wird, auch heute wieder als fremd erscheinen und wie unbekannte, neue Musik erleben lassen. Insofern sind gerade sie es wert, für die Gegenwart wieder entdeckt zu werden, auch wenn die neue Musik dabei zuweilen Gefahr läuft, wie alte zu klingen. Seine Rolle als Komponist inmitten der Allgegenwart von Musik verbindet Febel dabei mit einer Hoffnung für die Zukunft.

Ich sehe, dass die Bedeutung von Kunst sehr fraglich geworden ist, und ich hätte natürlich gerne, wenn das anders wäre und die Kunst eine konkrete Beziehung zum Alltagsleben hätte, dann würde vielleicht wieder etwas aufblühen. Eine Hoffnung wäre, dass gerade die Tatsache, dass man sich als Komponist mit relativ hermetischen, komplexen und schwierig zu spielenden und zu hörenden Dingen beschäftigt, vielleicht eines Tages wieder ein politisches Pendant findet. Eine Möglichkeit sehe ich eigentlich nur darin, dass sich eines Tages vielleicht doch der absolute Überdruss unserer Gesellschaft an ihrer Medialisierung und Kapitalisierung einstellt, mit der wir die Welt an die Wand fahren, weil alles nur noch einen Preis hat und die Wertfrage sich so schwer stellen lässt. Alle Gegenmodelle zum Turbokapitalismus sind verschwunden, was aber nicht heißt, dass das Beste übriggeblieben ist, mitnichten. Ich würde mir eine Verankerung irgendwo in der Zukunft wünschen. Als Komponist fühle ich mich vielleicht so wie ein Schuhmacher, der als letzter noch Schuhe näht und denkt, jeder weiß doch, dass diese Schuhe besser sind, und warum muss ich dennoch den Plastikschuhen unterliegen?

1Jorge Luis Borges, Die Bibliothek von Babel, Stuttgart 1974 (Reclam), 52–53.

2„Grenzen des Wachstums“ erschien 1972.

3Die im Folgenden zitierten Äußerungen Febels stammen aus Gesprächen, die der Autor mit Febel am 4. Oktober 2004 in Köln und am 29. April 2008 in Düsseldorf geführt hat.

4Wolfgang Rihm, Der geschockte Komponist (1978/1996), in: Derselbe, ausgesprochen. Schriften und Gespräche Band I (= Veröffentlichungen der Paul Sacher Stiftung Band 6,1), herausgegeben von Ulrich Mosch, Winterthur: Amadeus, 1997 und Mainz: Schott, 1998, 51.

5Reinhard Febel, Gedanken beim Komponieren (1994), in: Derselbe, Alles ständig in Bewegung. Texte zur Musik 1976–2003 (= Quellentexte zur Musik des 20./21. Jahrhunderts Band 11,1), herausgegeben von Rainer Nonnenmann, Saarbrücken: Pfau, 2004, 111.

6Reinhard Febel, Tonalität nach ihrer Katastrophe, in: MusikTexte 14, Köln 1986, 5, Wiederabdruck in Febel, Alles ständig in Bewegung, am angegebenen Ort, 54–67. Febels Text entstand als Beitrag zu einer vierteiligen Vortragsfolge zum Thema „Tonalität“, bei der im Rahmen der Karlsruher „Wintermusik ’86“ auch Hermann Sabbe, Peter Sloterdijk und Wolfgang Rihm referierten, deren Texte durchgesehen, leicht gekürzt und versehen mit einem Editorial von Reinhard Oehlschlägel im selben Heft 14 der MusikTexte erschienen.

7Reinhard Febel, Eine neue Philosophie der Musik, in: ebenda, 52.

8Reinhard Febel, Anmerkungen zu Komitas und „Variationen für Orchester“, in: Neuland Band 2, herausgegeben von Herbert Henck, Bergisch Gladbach: Neuland, 1982, 35–40, Wiederabdruck in Febel, Alles ständig in Bewegung, am angegebenen Ort, 241–251.

9Die Württembergische Staatsoper Stuttgart brachte 1984 als Uraufführung „Echnaton“ (1983) zusammen mit Neuinszenierungen der beiden früheren Opernwerke „Einstein on the Beach“ (1976) und „Satyagraha“ (1980) aus Glass’ Trip­tychon.

10Rainer Nonnenmann, Winterreisen. Komponierte Wege von und zu Schuberts Liederzyklus aus zwei Jahrhunderten (= Taschenbücher zur Musikwissenschaft Bände 150/151), herausgegeben von Richard Schaal, Wilhelmshaven: Noetzel, 2006, zu Febels „Winterreise“, Band II, 335–367.

11Dieter Schnebel, Rückungen – Ver-Rückungen. Psychoanalytische Betrachtungen zu Schumanns Leben und Werk, in: Robert Schumann (= Musik-Konzepte Sonderband I), herausgegeben von Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn, München: edition text + kritik, 1981, 4–89.

12Rainer Nonnenmann, Endenich als Anfang … Aspekte kompositorischer Schumann-Rezeption seit 1960 am Beispiel von Wilhelm Killmayer, Peter Ruzicka und Reinhard Febel, in: Musiktheorie, 21. Jahrgang 2006, Heft 3, 246–268.