MusikTexte 160 – Februar 2019, 11–14

„In der Konzertmusik vermisse ich das Ritual“

Rūta Vitkauskaitė im Gespräch

mit Ugnius Babinskas

Beginnen wir unser Gespräch mit Ihrer siebenteiligen Raumklang-Oper „Confessions“. Die Komposition basiert auf der christlichen Vorstellung von den sieben Todsünden. Was inspiriert Sie an diesen religiösen Motiven?

Zuerst möchte ich betonen, dass dies nicht nur meine Arbeit war. Der Komponist Jens Hedman, die Sopranistin Åsa Nordgren und ich haben fast sechs Jahre lang zu dritt daran gearbeitet, so als ob wir ein Urheber in drei Personen wären. Den Prozess selbst würde ich als einen Wirbelsturm von Gesprächen, Diskussionen und Gedankenaustausch beschreiben. Oft gelangten wir alle intuitiv zur gleichen Entscheidung, auch wenn es vorkam, dass wir nach Kompromissen suchen mussten. Sobald wir diese gefunden hatten, machten wir weiter.

Die Idee, eine Oper auf der Grundlage einer religiösen Vorstellung zu entwerfen, kam auf, als ich mich mit Jens und Åsa zum ersten Mal in Vilnius getroffen habe. Ich erinnere mich, dass sie von der Fülle der Kirchen und dem tiefen Glauben der Einwohner sehr beeindruckt waren – wohl deshalb, weil Religion den Schweden eher fernsteht. Wahrscheinlich erleben sie Spiritualität auf andere Weise. Auch ich gehöre keiner Kirche an.

Ich denke, Åsa war die erste, die von den sieben Todsünden gesprochen und sie als Thema vorgeschlagen hat. Wir fingen an, uns gründlicher mit dem Thema zu beschäftigen, zu lesen und zu recherchieren. Besonders interessiert hat uns die Zeit der Inquisition, als die Menschen für ihre Sünden wirklich brutal bestraft wurden.

Uns fiel auf, dass einige Todsünden heute gar nicht mehr als sträflich angesehen werden. Zum Beispiel Habgier, die jetzt nicht nur nicht mehr bestraft, sondern sogar gefördert wird. Oder Wollust. Heute gilt sie als eine normale menschliche Eigenschaft, die aktiv in Zeitschriften, Anzeigen und anderen Medien beworben wird.

Diese Veränderung der Werte nahmen wir als künstlerischen Bezugspunkt und fingen an, zu diskutieren: Was sind die heutigen Werte? Welcher von ihnen bildet die Grundlage der Kultur? Was ist das, was man Moral nennt, und schützt die Religion sie wirklich? Vielleicht waren es diese Fragen, aufgrund derer die Oper Bilder annahm, wie sie für sektiererische Versammlungen typisch sind.

Tatsächlich ist die Szenographie des Werks von rituellen Motiven durchdrungen: Die Aktion findet im Dunkeln statt, und die Musiker sind in Kostüme gekleidet, die die Zuschauer nicht sehen können, weil ihre Augen mit Karnevalsmasken bedeckt sind. Es scheint, dass diese künstlerischen Entscheidungen nicht nur dazu auffordern, der Musik aufmerksamer zuzuhören, sondern auch, in das Innere des eigenen Selbst zu gehen, die eigene Sündhaftigkeit zu betrachten.

Die von Ihnen genannten künstlerischen Entscheidungen – und nicht nur diese – sind intuitiv zustande gekommen. Als ich jedoch anfing, mich intensiver mit der Ästhetik des Rituals zu beschäftigen, bekam es für mich eine besondere Bedeutung. Wenn wir die Entwicklung der Konzertmusik betrachten, sehen wir, dass sie vielleicht tausend Jahre in Anspruch genommen hat. Aus der Sicht der Musikgeschichte ist das eine sehr kurze Zeit. Für Zehntausende von Jahren war Musik ausschließlich Teil von Ritualen und des gesellschaftlichen Lebens. Darin liegt die Stärke der Musik – sie ist eine Kulturform, die verschiedene Menschen zusammenbringt, verschiedene unterbewusste Assoziationen wachruft und für jeden Menschen ganz eigene Erfahrungen hervorbringt.

Im Laufe der Zeit schien es mir, dass die „klassische“ Musik, die ich wirklich sehr mag, gerade diese Elemente eliminiert hat, so als ob sie die irgendwohin „verlegt“ hätte. Zunehmend geraten sie in der zeitgenössischen ka­pi­ta­listischen Kultur auch in Vergessenheit, einer Kultur, die unter dem Druck steht, Kunst als Repräsentation, als Produkt, als Konsumartikel zu sehen. Musik hat da eine ganz andere Wirkung. Ein Mensch, der sie erlebt, muss sie nicht nur hören – wichtiger ist es, an ihr teilzuhaben.

In Anbetracht dessen haben wir eine sehr einfache Entscheidung getroffen und die Augen des Publikums/der Teilnehmer zugedeckt. Da sie die Bühne nicht sehen konnten und nicht vor, sondern praktisch auf ihr waren, hatten sie die Möglichkeit, jene einzigartige Erfahrung des Rituals zu machen, die ich in der Konzertmusik vermisse. Wir brauchen nicht gesehen zu werden, weil unser Ziel war, dass jeder diese Oper ganz individuell erleben sollte.

Später sagten einige Leute, sie hätten verschiedene Bilder gesehen, und andere, sie hätten sich auf einem Horrortrip befunden, und wieder andere, dass sie in eine wohlige Trance versunken wären und meditiert hätten. Es gab auch Menschen, die sich dabei unsicher fühlten und die Erfahrung nicht mochten.

In der Oper gab es sowohl abstrakte Motive, die unterschiedliche Gefühle und Reflexionen hervorrufen, als auch Klänge, die konkrete Räume modellieren und die visuelle Phantasie anregen. Welche Strategien haben Sie bei der Zusammenstellung der Klänge verfolgt, und haben Sie überhaupt darüber nachgedacht?

Tatsächlich haben wir sehr heftig darüber nachgedacht. Wir haben wissenschaftliche Literatur studiert, in der es darum geht, zu verstehen, wie Musik funktioniert. Musik ist eine besondere Art von Sprache mit eigener Symbolik, auf die wir alle irgendwie reagieren. Manche Forscher wollten herausfinden, ob es bestimmte Klänge gibt, möglicherweise Harmonien, die den gleichen Einfluss auf uns alle ausüben, so dass Musik als internationale Sprache verstanden werden kann. Viele dieser Forschungen wurden in den Siebzigerjahren durchgeführt. Dabei wurden Klänge entdeckt, auf die wir, unabhängig von unserer Verschiedenheit, sehr ähnlich reagieren, zum Beispiel auf das Schreien eines Babys oder auf einen Schuss. Zuerst wollten wir in diese wissenschaftlichere Richtung gehen und universelle Klänge sowohl studieren als auch mit ihnen experimentieren, oder zumindest mit solchen, die im europäischen Kontext als universell gelten. Aber schließlich haben wir uns von der Wissenschaft distanziert und uns auf unsere eigenen Erfahrungen konzen­triert. Wir stellten uns vor, wenn ein bestimmter Klang uns alle drei – mit unserer unterschiedlichen Herkunft und Erfahrung –, auf die gleiche Weise berühren kann, wird vielleicht auch das Publikum unserer Oper diese Klänge ganz ähnlich erleben.

Warum interessieren Sie sich überhaupt für das Operngenre? Was möchten Sie daran verändern?

Was ist Oper für mich? Im Prinzip eine Opernstimme und eine Art Erzählung, sei sie nun konkret oder abstrakt, mit einer abgeschlossenen Geschichte. Sie bedeutet auch Drama und Konflikt. Und es handelt sich um ein synthetisches Genre, das von der Musik als ein roter Faden durchzogen wird. Es gibt noch andere Kriterien, aber es sind diese drei Dinge, die mir am wichtigsten sind. Auf sie beziehe ich mich, wenn ich improvisiere.

Ich würde nicht sagen, dass ich mit meiner Arbeit versuche, das Genre der Oper des neunzehnten Jahrhunderts weiterzuentwickeln. Ich meine, wenn wir ein bestimmtes Werk als Oper bezeichnen, haben wir vor allem das neunzehnte Jahrhundert im Sinn. Alles, was darauf folgte, ist bereits etwas anderes. Wir bräuchten einen neuen Begriff, um das zu benennen. Die zeitgenössische Oper bricht nicht unbedingt mit den Traditionen, die für die „klassische“ Oper charakteristisch sind, sondern sie greift die Grundelemente dieses Genres auf und nutzt sie als Werkzeuge, um etwas völlig Neues zu schaffen.

Es ist schwierig, die heutige Konzertmusik zu umschreiben, wenn man sie in traditionellen Kategorien betrachtet. Genre, Kanon, Manifest, ein künstlerisches Programm – all dies und noch viel mehr, was einst als Zeichen künstlerischer Strenge, Talent und Professionalität galt, hat heute seine Bedeutung verloren. Ihre eigene interdisziplinäre Arbeit markiert diese gravierende Veränderung. Was bedeutet das für Sie?

Diese Frage war für mich besonders wichtig, als ich Komposition studierte. Damals hatte ich ein ziemlich klares Verständnis dafür, was das bedeutete – wie diese Musik klang und was sie umfasste. Und das spiegelte sich in meiner eigenen künstlerischen Arbeit. Schon während meines Studiums habe ich mich bemüht, nicht „klassische“, sondern zeitgenössische Musik zu komponieren. Mit der Zeit wurde es immer weniger notwendig, der klassischen Tradition zu folgen. Offenbar hatte die kollektive Arbeit nicht nur in der Musik, sondern auch in vielen anderen Künsten Auftrieb bekommen. Damit verbunden waren eine Vielzahl von interdisziplinären Arbeiten sowie gemeinsame Projekte von Künstlern und Wissenschaftlern. Damit kann ich mich identifizieren.

Ich betrachte mich nicht als „akademische“ Komponistin, da ich, auch wenn meine Arbeit meistens mit einer Institution verbunden ist, meine Musik ganz unabhängig davon komponiere. So verwende ich kaum Zeit darauf, über akademische Rhythmen nachzudenken. Zwar benutze ich das, was ich gelernt habe, auch jeden Tag, aber selbst beim Schreiben von Werken für Orchester, Quartette, klassische Instrumente gehe ich anders vor als andere. Viele meiner Kollegen, die in der Tradi­tion der klassischen und zeitgenössischen Musik komponieren, finden meine Arbeit sehr seltsam. Ich werde oft gefragt, wie ich zu „so etwas“ gekommen bin.

Ihre Arbeit umfasst die unterschiedlichsten Kompositionen. Sie spiegelt wahrscheinlich ganz allgemein den Stand der zeitgenössischen Kunst und Kultur – die Vermischung der Genres, das ständige Streben, Grenzen zu überschreiten, völlig unterschiedliche künstlerische Verfahrensweisen zu kombinieren. Für viele Menschen schafft diese Situation Verwirrung: Es scheint, dass sie so klar wie möglich beschreiben wollen, welche Art von Kunst sie mögen, aber sie können diese nicht auf den Begriff bringen. Wie fühlen Sie sich als Künstlerin dabei?

Da ich meine Arbeit aus einer ganz anderen Perspektive betrachte, gibt es in meinem Fall auch keine Unsicherheiten. Musik bedeutet für mich die Möglichkeit, eine Weltanschauung oder Gedanken auszu­drücken. Mich interessiert mehr, was ich ausdrücke oder durch Musik ausdrücken will, als wie ich es mache. Vor dieser Entscheidung steht jeder Künstler.

Ich habe akustische und elektronische Musik komponiert oder mit selbstgebauten Kontaktmikrophonen experimentiert. In Zusammenarbeit mit Künstlern anderer Disziplinen konnte ich Erfahrungen mit der visuellen Umsetzung meiner Vorstellungen sammeln. Auch hatte ich die Möglichkeit, mich an konzeptuellen Musikprojekten, die eng mit der Klangkunst verbunden sind, zu beteiligen. Ich habe viel Zeit mit pädagogischen Aktivitäten verbracht – vom Geigenunterricht für Kinder bis hin zu Kompositions-Workshops. All diese Erfahrungen, die ich als musikalische Erfahrungen verstehe, nutze ich für meine künstlerische Arbeit, wobei ich die dazu geeigneten Mittel sozusagen aus verschiedenen Regalen nehme, um eine bestimmte Vorstellung zu verwirklichen.

Dabei denke ich oft über neue Ansätze nach, denn wenn man viele Regale hat, ist es etwas leichter, die darauf abgelegten Erfahrungen auf verschiedene Weise zusammenzustellen und so etwas Neues zu schaffen. Erst überlege ich mir eine Idee und danach, wie ich sie am besten vermitteln kann. Später merke ich, dass ich etwas schwer zu Beschreibendes geschaffen habe, das außerhalb der bekannten Genres liegt oder nicht dem entspricht, was von mir erwartet wurde. Ich werde sehr oft gefragt, in welche Kategorie meine Arbeit einzuordnen ist, aber sie ist jedes Mal anders.

Erzählen Sie mehr über das, was Sie „Synästhesie“ nennen. Sie möchten verschiedene Sinne stimulieren – nicht nur Sehen und Hören, sondern auch Berühren, Riechen, vielleicht sogar Schmecken. Warum ist es für Sie wichtig, dass Musik nicht nur gehört, sondern auch auf andere Weise erlebt wird?

Wahrscheinlich fing alles damit an, dass ich eine Abneigung gegen die klassische Konzertpräsentation ent­wickelt habe, denn diese scheint den Hörer eher von der Musik zu entfernen. Das gilt auch für die Konzertbe­sucher, denn sowohl „klassische“ Konzerte als auch die meisten Konzerte mit zeitgenössischer Konzertmusik ­haben ein ganz spezifisches Publikum. Dieser Situation wollte ich mit visuellen Mitteln entkommen, indem ich eine andere Konzertatmosphäre schaffe und andere Räume zur Verfügung stelle.

Mir schien, dass solche Lösungen den Hörern helfen, die Musik besser zu hören und zu verstehen, sich leichter auf sie einzulassen. Darüber hinaus tragen sie dazu bei, das Konzertpublikum zu erweitern und Menschen einzubinden, die vielleicht nie Konzertmusik hören würden. Sie brauchen keine Vorbereitung und keinen Fundus an Wissen mitzubringen – sie können direkt von der Straße kommen.

In letzter Zeit habe ich die visuellen Elemente der Musik eher abgelehnt, obwohl ich audiovisuelle Projekte eigentlich mag. Das zeigt die Klangoper „Confessions“ sehr deutlich. Der Einfluss der visuellen Wahrnehmung auf unsere Kultur ist groß: Mit dem Aufkommen des Films, des Fernsehens und schließlich des Internets rückten Bilder immer mehr in den Vordergrund. Außerdem erhalten wir praktisch alle unsere Informationen über unsere Umwelt durch visuelle Vermittlung.

Es ist nicht mehr so wie früher, als die anderen Sinne ebenso viel bedeuteten – Geruch, Berührung und vor allem das Hören. Früher war der Sehsinn nur einer von fünf, während es jetzt scheint, dass er der einzige ist. Mir fiel auf, dass Visualisierungen in einem Stück immer die meiste Aufmerksamkeit auf sich ziehen – die Leute schauen nur noch und hören nicht zu.

Vor allem aus diesem Grund versuche ich, in meiner künstlerischen Arbeit auf verschiedene Weise rituelle Elemente zu verwenden, mich an individuellen Erfahrungen zu orientieren und das Publikum durch direkte Beteiligung zu beeinflussen, anstatt ein Bühnenwerk zu präsentieren. Übrigens arbeite ich zur Zeit an einem Projekt unter dem Titel „Something Personal“, das in seinem Charakter den „Confessions“ nahesteht, aber hier wird die Musik nur für einen Zuhörer aufgeführt, um einen einzigartigen Klangraum erlebbar zu machen. Dies ist eine ganz individuelle Erfahrung, in der die Rollen von Zuhörer und Performer hinfällig werden.

Sie leben seit einiger Zeit in England und haben Ihr Studium an der Royal Academy of Music in London fortgesetzt. Als Sie einmal in einem Interview gebeten wurden, Ihre Erfahrungen in beiden Ländern zu vergleichen, sagten Sie, dass Sie eine Zeitlang negativ über das musikalische Niveau in Litauen geurteilt, aber Ihre Meinung später geändert haben.

Da ich selbst mich ändere, ändern sich auch meine Ansichten. Früher hatte ich den Eindruck, dass es in Litauen ein gewisses professionelles Niveau gibt, über das die Künstler, nachdem sie es erreicht haben, nicht mehr hinauswollen, vielleicht, weil sie kaum Konkurrenz haben, vielleicht wegen der relativ geringen Anzahl von Konzertbesuchern, oder auch einfach aus Bequemlichkeit.

Ich erinnere mich, dass die zeitgenössische Musikszene in Litauen, in der ich aktiv war und die ich hauptsächlich selbst mit meinen Kollegen gestalten musste, mich zermürbt hat. Es gab kein großes Interesse, und wir mussten uns anstrengen, ein Publikum zusammenzubringen, die Veranstaltungen zu organisieren, die Musik zu komponieren, aufzuführen und uns darüber hinaus selbst zu applaudieren.

Von daher gesehen erlebte ich, als ich nach London kam, einen Kulturschock und war gleichzeitig äußerst fasziniert. Es gibt dort Hunderte von professionellen und nicht-professionellen Orchestern, jede Menge Veranstaltungen, Konzertmusik – auf höchstem Niveau. Ebenso fasziniert war ich von der Londoner Underground-Kultur.

Nachdem ich eine Zeitlang dort gelebt hatte, wurde mir allerdings klar, dass der ständige Wettbewerb die Kreativität nicht nur stimuliert, sondern auch hemmt. Wer in London leben will, muss sich in eine bestimmte Kategorie einfügen. England ist bekannt für seinen Konservativismus, das Bewahren von Traditionen, das sogar die zeitgenössische Kunst durchdringt. Selbst in Konzerten mit experimenteller Musik ist klar, was das Publikum erwartet. Wer in dieser Szene etwas erreichen will, muss bereits betretene Pfade weitergehen. Letztlich ist mir klargeworden, dass in dieser Hinsicht in Litauen alles etwas einfacher ist – die Kunst wird nicht eingeschränkt. Darüber hinaus können die künstlerischen Projekte in unserem Land mit den neuesten Tendenzen in aller Welt mithalten.

Es scheint, dass das Aufkommen von experimenteller Kunst, Performances und „Eventness“ in der Kunst im Allgemeinen bedeutet, dass die Suche für viele Menschen wichtiger geworden ist als die Erwartung, etwas zu finden. Auf der anderen Seite verliert die Suche an Bedeutung, wenn nicht danach gestrebt wird, auch etwas zu finden. Was ist Ihrer Meinung nach in der künstlerischen Arbeit wichtiger – etwas zu suchen oder etwas zu entdecken?

Ich denke, dass beides gleichermaßen sinnvoll ist. Ich betone jedoch immer die Bedeutung des schöpferischen Akts selbst. Das ist eine sehr wichtige Sache, die wir oft vergessen. In diesem Zusammenhang beobachte ich gern, wie die Wissenschaftler damit umgehen. Oft stoßen sie auf der Suche nach einer Sache plötzlich auf etwas ganz anderes, das in manchen Fällen unser Grundverständnis der Welt verändert. Diese Entdeckungen erfolgen nicht in strukturierter Form, sondern durch den tatsächlichen Prozess der Suche. Man sollte also nicht vergessen: Auf dem künstlerischen Weg zu einem angestrebten Ziel können Entdeckungen sich überall auftun.

Das Interview wurde am 7. Dezember 2016 in Vilnius geführt und in englischer Sprache auf der Website des litauischen Musikinformationszentrums veröffentlicht:

http://www.mic.lt/en/discourses/lithuanian-music-link/no-19-january-december-2016/

Übersetzung aus dem Englischen von Gisela Gronemeyer