MusikTexte 171 – November 2021, 61–71

Der wohltemperierte Regenwurm

Zur Naturbeziehung digitaler Musik

von Bernhard König

Stellen Sie sich, liebe Leserin oder lieber Leser, für einen Moment eine riesige Waage vor. In die eine Waagschale kommt alles, was auf diesem Planeten lebt: Bäume, Fische, Kellerasseln, Mikroben, Elefanten und auch wir menschlichen Erdenbewohner. Unsere Kleider müssen wir allerdings zuvor in der anderen Waagschale ablegen. In dieser nämlich wird die Gesamtheit der „anthropogenen Masse“ gesammelt, die sich auf unserem Planeten findet. Alles also, was künstlich von Menschen geschaffen wurde: Häuser, Straßen, Flugzeuge, Atomkraftwerke, plus all die kleinen Dinge, die wir an uns tragen oder die man im Ikeamarkt auf den letzten Metern vor der Kasse findet. Was denken Sie – welche Waagschale senkt sich weiter nach unten?

Die Antwort auf diese Frage ist nicht ganz irrelevant. Möglicherweise ist sie für unsere Spezies sogar überlebenswichtig. Denn wir sind, das vergessen wir oft, biologische Wesen. Genauer gesagt: Wirbeltiere aus der Klasse der Säugetiere. Als solche aber sind wir auf existentielle Weise von der ökologischen Nische namens „Erde“ abhängig. Und zwar auf eine sehr viel grundlegendere Weise, als von Geld oder Häusern oder Musikinstrumenten. Im Moment sind wir Wirbeltiere mit einem äußerst ernsten Problem konfrontiert: Unsere biologische Nische droht zu kippen. Vor einem halben Jahrhundert dachte man noch, dass Rohstoffverknappung der Grund sein werde, der uns eines Tages an die „Grenzen des Wachstums“1 bringen wird. Doch inzwischen wissen wir: Nicht Knappheit ist unser größtes Problem, sondern Überfluss. Denn wir plündern unsere Nische nicht nur. Wir überbauen, asphaltieren, kultivieren und untertunneln sie. Und wir verwenden sie als Kloake und Müllkippe für die Ausscheidungen unseres industriellen Stoffwechsels.

Unser Planet ist groß und kann so einiges wegstecken. Der Fachbegriff für die naturgegebenen Lagerstätten unseres Stoffwechsels ist „Senke“. Doch momentan stoßen ziemlich viele Senken an die Grenzen ihrer Aufnahmekapazitäten – die für CO2 beispielsweise, das von einer intakten Biosphäre normalerweise auf vielfältige Art, in Böden, Mooren, Gewässern, Wäldern und der Atmosphäre gebunden wird. Unser Stoffwechsel aber hat insgesamt derart monströse Ausmaße angenommen, dass wir damit unsere eigene biologische Nische ersticken. Um auf die eingangs gestellte Rätselfrage zurückzukommen: Israelische Forscherinnen und Forscher haben berechnet, dass die Biomasse erst vor Kurzem, um den Jahreswechsel 2020/21 herum, auf Platz zwei verwiesen wurde. Erstmals in der Geschichte unseres Planeten wird sie nun durch die Masse der von Menschen geschaffenen und benutzten Dinge übertroffen.2 Eine erdgeschichtliche Zäsur – und ein alarmierendes Signal. Wenn wir diese Entwicklung nicht so schnell wie möglich rückgängig machen, dann wird es für uns Wirbeltiere sehr ungemütlich. Denn wir brauchen Biomasse zum Überleben und zum Darin-Leben. Weil wir selber Biomasse sind. Doch statt schleunigst Gewicht umzuschichten, produzieren wir immer mehr Dinge und sorgen gleichzeitig dafür, dass die Waagschale der Biomasse immer leichter wird. Wann die Waage vollends kippt, lässt sich nur äußerst schwer voraussagen.3 Unstrittig ist jedoch, dass wir uns inmitten eines Massenartensterbens befinden, das in Geschwindigkeit und Ausmaß schon jetzt an jenes große Artensterben heranreicht und es teilweise übertrifft, dem vor rund fünfundsechzig Millionen Jahren die Dinosaurier zum Opfer fielen.4

Unsere gegenwärtige Krise hat auch eine kulturelle Komponente. Das Bewusstsein für unsere eigene symbiotische Abhängigkeit von dem, was wir da mit aller Kraft vernichten, ist gering. Stattdessen lassen wir uns von ästhetischen Vorlieben leiten. Gibt man in der Google-Bildersuche das Wort „Artenschutz“ ein, dann findet man drollige Koalas, farbenprächtige Vögel und eine Manege voller Zirkustiere. Zu akzeptieren, dass auch Spinnen, Stechmücken und Würmer ein eigenes Lebensrecht haben, fällt uns deutlich schwerer. Zu verstehen, wie groß ihr Wert für uns und unsere Existenz ist, erst recht. Doch das „Verstummen der Natur“,5 das wir seit einigen Jahrzehnten erleben, bedeutet eben nicht bloß, dass es irgendwie schade ist, wenn’s im heimischen Garten weniger zwitschert oder wenn der herzzerreißend schöne Gesang des Schuppenkehlmoho nur noch auf YouTube existiert.6 Sondern es bedeutet, dass wir in der komplexen Sinfonie des Lebens immer mehr Stimmen, Töne und ganze Passagen unwiederbringlich auslöschen und an ihre Stelle willkürlich völlig andere Stimmen, Töne und Passagen setzen, ohne dass wir auch nur annähernd die Gesamtkomposition verstanden hätten.

Das „Edaphon“ zum Beispiel. Was wie eine seltene Form der Tuba klingt, ist der biologische Fachbegriff für die Gesamtheit der Bodenorganismen. Milben, Asseln, Borstenwürmer – es scheint kaum uninteressantere und wertlosere Zeitgenossen zu geben. Sie sind ein bisschen eklig, wir nehmen sie kaum wahr und es gibt sie scheinbar im Überfluss. In einer einzigen Handvoll Humus krabbelt mehr Viehzeug herum, als es Menschen auf diesem Planeten gibt und in vielen Regionen der Welt bringen allein die Regenwürmer mehr Biomasse auf die Waage, als die dort lebenden Säugetiere.7 Doch diese Masse ist, ähnlich wie die der Insekten, Vögel und Meerestiere, im Schwinden begriffen. Mehr als ein Drittel der Regenwurmarten stehen in Deutschland auf der „Roten Liste“ der ausgestorbenen, bestandsgefährdeten oder extrem seltenen Tiere und es ist zu befürchten, dass steigende Temperaturen diese Entwicklung stark beschleunigen werden.8 Dies aber wäre fatal. Regenwürmer bilden, gemeinsam mit dem restlichen Edaphon, seit Jahrmillionen den Basso Continuo des Lebens. Sie pflügen, düngen und durchlüften den Boden. Sie legen unterirdische Tunnelsysteme an, die den Pflanzen das Wurzelwachstum ermöglichen, den Wasserkreislauf in Gang halten und vor Bodenerosion schützen. Sie sind eine proteinreiche Nahrungsquelle für viele andere Tiere, schützen Böden und Pflanzen vor Pilzbefall und produzieren unermüdlich fruchtbaren Humus, der nicht nur die Grundlage organischen Wachstums ist, sondern auch ein wichtiger CO2-Speicher.9 Kurzum: Regenwürmer und andere Bodenorganismen zählen zu unseren wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen Waldsterben und Wüstenbildung, Überflutungen und Hunger, Artenschwund und Klimakrise. Doch anstatt diese Hilfe dankbar anzunehmen, führen wir Menschen einen regelrechten Vernichtungsfeldzug gegen sie: im alltäglichen Nahkampf mit schweren Erntemaschinen und Pestiziden; im nachhaltigen Zermürbungskrieg der Monokulturen und Flächenversiegelungen und zu guter Letzt in einer langfristigen und irreversiblen Politik der verbrannten Erde durch fortschreitende Erderwärmung.10 Weil aber in gesunden Ökosystemen alles mit allem verbunden ist, ziehen derart massive Eingriffe in die Bodenfauna kaskadenartige Folgewirkungen nach sich. Das Edaphon zu zerstören, ist einer von vielen Beiträgen zum Kollabieren ganzer Ökosysteme, die auf diese Weise nicht nur als Habitat für tausende Lebewesen und als Genpool für die künftige Evolution verlorengehen, sondern auch als natürliche CO2-Senke: Derzeit verwandeln sich immer mehr Wälder und Moore mit immer höherer Geschwindigkeit in CO2-Emittenten und heizen die Atmosphäre zusätzlich auf, statt sie zu entlasten.11

Die gute Nachricht dabei: Als relativ weit entwickelte Primaten verfügen wir momentan noch über gewisse Gestaltungsmöglichkeiten. Ob wir es zu diesen unaufhaltsamen Kettenreaktionen kommen lassen oder nicht, ist im Moment noch keine naturgesetzliche, sondern eine kulturelle Frage. Noch können wir wählen, wie wir uns zur Natur verhalten. Wir können nicht nur wählen – wir tun es permanent, weil wir in und von der Natur leben. Ob Ess- und Wohnkultur oder Reiseverhalten: In all unserem Handeln drückt sich eine Naturbeziehung aus. Dieser Tatsache ist nicht zu entkommen. Alles was wir tun beeinflusst und verändert Natur. Alles was wir tun, ist von dem Bild geprägt, das wir uns von Natur machen. Alles was wir vorleben und wozu wir anstiften, kann die Naturbeziehung anderer beeinflussen und verändern. Und an dieser Stelle kommt die Musik ins Spiel.

Musik als Ausdruck von Naturbeziehung

Musik, die von Natur handelt oder in der sich eine Naturbeziehung ausdrücken soll, hat es immer gegeben: Natur wurde mit Gesang und Instrumentalspiel verherrlicht, beschworen, theologisch gedeutet oder mit magischen Kräften aufgeladen. Doch unabhängig von einer solch vordergründigen und beabsichtigten Programmatik transportiert Musik auch noch auf einer ganz anderen Ebene die Naturbeziehung derer, die sie ausüben und hören. „Naturgebunden“ in einem ganz wörtlichen Sinne ist zunächst jede Musik, weil der Akt des Musizierens stets auch natürlicher Ressourcen bedarf. Wir benutzen beim Singen – je nach Musikkultur auf ganz unterschiedliche Weise – unsere eigenen Atemorgane, Stimmbänder und körpereigenen Resonanzräume. Wir lassen unterschiedliche Grade der Naturbeherrschung mitschwingen, wenn wir in Tierhörner blasen, auf gespannter Ziegenhaut trommeln oder mit Pferdehaaren über Darmsaiten streichen. Und wir setzen, indem wir nur eine einzige Taste einer Kirchenorgel drücken, eine komplex verdichtetes Ineinanderwirken unterschiedlichster Materialien in Gang.

Aber auch auf der immateriellen Ebene der begleitenden Diskurse und Narrative drücken sich Naturbeziehungen aus. Um bei der Orgel zu bleiben: Für den großen Barockgelehrten Athanasius Kircher war sie nicht einfach nur ein Werkzeug zur Hervorbringung von Klang, sondern eine Allegorie auf die gesamte Schöpfung, deren Schönheit und Regelhaftigkeit sich dem Sachverstand ihres göttlichen Baumeisters verdankt. Beispiele wie dieses gibt es viele. So war das System der musikalischen Harmonie und Disharmonie sowohl in der altchinesischen Musikkultur als auch in der kleinasiatischen und mediterranen Antike eng mit einer welterklärenden Kosmologie verknüpft, die sich in vielerlei verästelten Varianten durch die Musikgeschichte verfolgen lässt. Musik galt als natur- oder gottgegebene Mittlerin einer ewigen kosmischen Harmonie und vermochte deshalb heilend oder zerstörerisch auf die Menschen einzuwirken. Ein solch kosmologischer Bezugsrahmen wirkt in zwei Richtungen: Er konserviert und transportiert ein bestimmtes Naturverständnis. Zugleich definiert er aber auch die daraus abgeleiteten, allgemein verbindlichen ästhetischen Gesetze und Tabus und verleiht ihnen eine besondere Autorität. Musik ist dann nicht einfach nur „schön“ oder „weniger schön“, sondern sie steht „im Einklang mit der Natur“ oder auch nicht, wird als „organisch“ oder „unnatürlich“, „gottgefällig“ oder „teuflisch“ empfunden und beschrieben. Musik kann auf diese Weise zum Medium einer Naturbeziehung werden, ohne selbst von Natur zu handeln. Manchmal geschieht dies unterschwellig und unbeabsichtigt, manchmal aber auch ganz bewusst, in erzieherischer, aufklärerischer oder manipulativer Absicht. Mitunter wird Musik dabei zu einem Unterdrückungs- und Machtinstrument, das dazu dienen soll, ein ideologisch motiviertes Naturkonzept abzusichern und durchzusetzen. Abweichendes gilt dann als „primitiv“, „widernatürlich“ oder „entartet“ und damit mindestens als wertlos (wenn nicht gar als etwas, das aktiv unterdrückt werden muss).

Für die Neue Musik des zwanzigsten Jahrhunderts spielte die kritische Auseinandersetzung mit derartigen Naturideologien eine enorm wichtige, geradezu konstitutive Rolle. Die eigene künstlerische Autonomie und das eigene Fortschrittsstreben immer wieder gegen autoritäre und reaktionäre Natürlichkeitskonzepte verteidigen zu müssen, war eine historisch prägende und stark verbindende kollektive Erfahrung. Wo sich musikalische Experimente mit technologischer Innovation paarten, ließ der Vorwurf fehlender Natürlichkeit nicht lange auf sich warten. Hindemiths erste „Originalwerke für Schallplatten“ wurden als „Laboratoriumswitz“12 kritisiert und die elektronische Musik der Nachkriegszeit von kirchlichen Kreisen als „schöpfungswidriger Akt“ betrachtet, der „zu einer Tiefenstruktur-Schädigung des Menschen“13 beitragen könne. „Ist es statthaft“, fragte 1960 der Musikwissenschaftler Friedrich Blume, Herausgeber der Enzyklopädie „Die Musik in Geschichte und Gegenwart“, „daß wir die Axt an die Wurzel einer der vollkommensten Schöpfungen Gottes legen, um dann aus den Trümmern eine Fratzenwelt aufzubauen, die den Schöpfer äfft? Ist das nicht Vermessenheit? Streift es nicht an Blasphemie? Es mag wohl sein, daß diese nur durch Apparate produzierbare und reproduzierbare Schallgeneration etwas ist, was unser Zeitalter der Atomzertrümmerung und der Vollautomation spiegelt. Mit Musik aber (...) hat dieses volldenaturierte Produkt (...) nichts mehr zu tun.“14

Mir ist bewusst, dass ich mich mit der Frage nach der Naturbeziehung der digitalen Musik in ein trübes und vorbelastetes Gewässer begebe. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei an dieser Stelle deutlich gesagt: Es geht mir hier nicht um die konservativen Kulturkämpfe des vorigen Jahrhunderts und schon gar nicht darum, irgendeiner Musik aus ästhetischen Gründen ihre Daseinsberechtigung abzusprechen. Sondern es geht mir um jene neuen und drängenden Fragen, denen sich im einundzwanzigsten Jahrhundert nicht mehr ausweichen lässt: Was, wenn unsere Naturbeziehung als Ganzes dysfunktional und selbstzerstörerisch geworden ist? Was bedeutet es für die Musik unserer Gegenwart, dass sie in eine Welt hinein- und aus einer Welt heraustönt, die von massenhaftem Artensterben und einem irreversiblen Umkippen des Klimas bedroht ist? Welche Rolle soll sie spielen, welche Naturbeziehung will sie transportieren? Und welche Naturbeziehung spricht tatsächlich aus ihr?

Digitale Musik als globale Monokultur

„Die“ Musik der Gegenwart – das scheint auf den ersten Blick ein Widerspruch in sich zu sein. Musik ist stilistisch, formal und weltanschaulich viel zu weit aufgefächert, als dass man von ihr in einem übergreifenden Singular sprechen könnte. Doch gerade angesichts dieser Vielfalt (und erst recht im historischen Vergleich) ist die Naturbeziehung, die sich in gegenwärtiger Musik ausdrückt, erstaunlich uniform. Denn diese Beziehung ist, unabhängig von programmatischen Intentionen, ganz entscheidend durch eine Gemeinsamkeit geprägt, die große Teile der Gegenwartsmusik über alle Stil- und Genregrenzen hinweg verbindet: die Verwendung digitaler Komponenten.

Dies bedeutet natürlich nicht, dass es keine Ausnahmen gäbe: Individualstile oder Reste von Regionalkultur, in denen sehr ausdrücklich eine Naturbeziehung gepflegt und eingeübt wird, die vom Mainstream abweicht. Und es bedeutet erst recht nicht, dass die gesamte Musik der Gegenwart komplett durchdigitalisiert wäre. Aber man wird nur noch sehr wenig Musik finden, die eine künstlerische oder popkulturelle Relevanz für sich beansprucht und nicht auf irgendeiner Ebene ihrer Produktion, ihres Vertriebs oder ihrer Rezeption eine zumindest in Teilen digitale Existenz führt. Selbst in Bereichen, in denen das Analoge bis vor Kurzem noch weit überwog (zum Beispiel in der musikalischen Früherziehung oder der dörflichen Chorkultur) hat der große Digitalisierungsboom im Gefolge der Corona-Pandemie die letzten Grenzen aufgeweicht.

Wenn ich in diesem Aufsatz einige kritische Blicke auf diese Hegemonie des Digitalen werfen werde, dann heißt dies nicht, dass ich die Digitalisierung per se für „unnachhaltig“ halte oder gar pauschal verteufeln möchte. Ohne leistungsfähige Computer gäbe es keine Klimamodelle, ohne Social Media kein Fridays for Future. Digitale Technologien können an vielen Stellen wertvolle Beiträge zur Nachhaltigkeitswende leisten.15 Dies gilt auch in der Musik. Wenn Marcus Maeder den Trockenstress verdurstender Bäume oder die Fruchtbarkeit von Böden hörbar macht und in einem landesweiten Citizen-Science-Projekt dazu einlädt, es ihm nachzutun; wenn Christina Kubisch mit ihren „Electrical Walks“ die Allgegenwart elektrischer Felder sinnlich erfahrbar macht; wenn Erwin Stache mit einer „Klangtreppe“ zum Energiesparen einlädt oder auf subtile Weise biologisches Artensterben und technologische Obsolenz verknüpft, dann sind dies alles ohne jede Frage großartige, stimmige und bereichernde Konzepte.16 Mein Misstrauen gilt nicht solchen Einzelarbeiten, sondern der Selbstverständlichkeit und Kritiklosigkeit, mit der die schleichende und umfassende Digitalisierung von Musik vorangetrieben und hingenommen wird. Ist es wirklich ein Gewinn, wenn auch in der Musik „digital“ das neue „Normal“ ist? Ist es wirklich gerechtfertigt, dass technikbasierte Formen von Musik eine Art Alleinvertretungsanspruch des Fortschrittlichen für sich beanspruchen, während rein analoge Formen des Musizierens immer mehr mit einem Image des Rückständigen und Altbackenen zu kämpfen haben? Ist es gerechtfertigt, dass Begriffe wie „Experiment“, „Labor“, „Forschung“ oder „Interdisziplinarität“ in unseren Musikinstitutionen fast immer an neue Technologien geknüpft sind? Mir scheint, dass sich in der Waagschale der Digitalisierung allzu viele Hoffnungen und Heilsversprechen, Gewinnaussichten und Geschäftsinteressen, Forschungsgelder und Kultursubventionen angehäuft haben. Diese einseitige Vormachtstellung erfordert Gegengewichte und hat, wie jede Hegemonie, ein genaueres Hinschauen verdient.

Ein solches kritisches Hinterfragen sollte nicht mit einer romantischen Verklärung der Vergangenheit verwechselt werden. Ganz gewiss war früher nicht alles besser und ohne jede Frage hat die Digitalisierung der Musik einen gewaltigen Zugewinn an neuen gestalterischen Möglichkeiten beschert. Doch diese grenzenlose Machbarkeit hat ihren Preis. Auch bei nüchterner Betrachtung wird man über die einstige analoge Musik sagen können, dass sie häufig in einer Wechselbeziehung zu ihrer unmittelbaren geographischen, klimatischen und ökologischen Umgebung stand. In der traditionellen Musik grönländischer Inuit, arabischer Beduinen oder alpiner Bergvölker drückte sich nicht irgendein willkürlich erfundenes Konstrukt von Natur aus, sondern sie bezog sich auf genau diejenigen Lebensumstände und schöpfte aus genau denjenigen Ressourcen, die vor Ort verfügbar waren. Man kann diese große Vielfalt an regional geformten und gelebten Musikstilen als irrelevant abtun, weil ihre Reichweiten gering sind und sie sich schwer mit urbanen Diskursen und Lebensstilen verknüpfen lassen. Man kann sie aber auch als einen immens wertvollen Wissensspeicher betrachten – und dies nicht nur in ästhetischer und soziokultureller Hinsicht, sondern auch, weil sich in ihr ein großer Reichtum an unterschiedlichsten Mensch-Natur-Beziehungen niedergeschlagen hat. Eine Metastudie der Vereinten Nationen hat kürzlich am Beispiel von Lateinamerika noch einmal das bestätigt, was Umweltschutzorganisationen schon lange wissen: Indigenes Wissen ist enorm wichtig für den Klima- und Artenschutz. Waldgebiete unter indigener Obhut werden nachweislich weniger stark abgeholzt, leiden weniger an Artenschwund und speichern mehr CO2 als andere Waldgebiete. „Die Territorien indigener und in Stämmen lebender Völker“, so heißt es in diesem Bericht, „sind Räume für die Produktion und Reproduktion ihrer gemeinschaftlichen Lebensform, für die Ausübung ihrer Freiheit und für die Manifestation ihrer Kulturen, spirituellen Überzeugungen und des Wissens ihrer Vorfahren. Sie teilen ihre territorialen Räume mit anderen Lebewesen, mit denen sie eine direkte Beziehung unterhalten, in der jeder die Nachhaltigkeit des anderen garantiert“.17

Indigene Musik – von uns Europäern einst als „primitiv“ geschmäht – ist Teil dieses gemeinschaftlichen Lebens und des ihm zugrundeliegenden Wissenstransfers von einer Generation zur nächsten. Damit wird sie zugleich zum Medium einer fürsorglichen und bewahrenden Naturbeziehung. Doch dieser Wissensspeicher droht allmählich zu versiegen. Schon seit über einem Jahrhundert dokumentiert die Musikethnologie das fortschreitende Verschwinden indigener Musikkulturen. Und gegenwärtig können wir in Echtzeit dabei zuschauen, wie sich diese Entwicklung noch einmal erheblich beschleunigt. Daran ist nicht nur Digitalisierung schuld. Auch die klimatischen und ökologischen Veränderungen werden wohl über kurz oder lang dazu führen, dass noch sehr viel mehr indigene Musikkulturen (beispielsweise durch unerträgliche Hitze oder steigenden Meeresspiegel) ihre angestammten Heimaten verlieren.18

Was bleibt, ist ihre digitale Speicherung. Auf den ersten Blick scheint das kulturelle Artensterben dadurch sogar ein wenig abgemildert zu werden. Viele traditionelle Melodien, Gesänge und Instrumentaltechniken wären längst verschwunden, hätte man sie nicht digital archiviert. Doch dies ist nur die halbe Wahrheit. Denn der große Reichtum an überlieferten und gelebten Naturbeziehungen, der sich in dieser musikalischen Vielfalt ausdrückt, lässt sich gerade nicht digital speichern. Der Grund dafür: Die digitale Praxis ist in Bezug auf ihre Naturbeziehung alles andere als neutral. Sie transportiert eine ganz eigene, spezifische Naturideologie, die unweigerlich auf ihre ästhetischen Inhalte abfärbt. Je mehr sich das Digitale als neue Normalität durchsetzt, umso mehr lässt es den einstigen Facettenreichtum regionaler Mensch-Natur-Verhältnisse verarmen. Stattdessen greift in wachsendem Maße eine weltumspannende Monokultur der musikalischen Naturbeziehung um sich, deren Verbreitung schleichend begann und sich in den letzten Monaten durch die Pandemie erheblich beschleunigt hat. Rund um den Erdball werden zum Musikmachen und Musikhören die gleichen Gegenstände, die gleichen Distributionswege, die gleichen Technologien verwendet. Die dadurch ermöglichten Gestaltungsfreiheiten und Vernetzungsmöglichkeiten erkaufen wir uns mit der weitgehend kritiklosen Hinnahme eines hochproblematischen und global vereinheitlichten Naturverständnisses, das sich mit drei Begriffen umschreiben lässt: Entkopplung, Externalisierung und Aneignung.

Digitale Musik als Entkopplung von Natur

Digitale Musik ermöglicht unbegrenzte Kontrolle auf allen Ebenen des Klingenden. Musik hat sich dadurch weitgehend von den einstigen Begrenztheiten und natürlichen Grundlagen ihrer Erzeugung und Rezeption entkoppelt. Der „natürliche“ Tonumfang eines Musikinstruments steht dem musikalischen Gestaltungswillen ebenso wenig als limitierender Faktor im Weg, wie irgendwelche körperlichen Grenzen der Geläufigkeit, des Atemvolumens oder der dynamischen Differenzierungsfähigkeit.

Aber Musik hat sich nicht nur von vielen Grenzen des physikalisch und biologisch Machbaren befreit, sondern in einem sehr viel weitreichenderen Sinn von den Unzulänglichkeiten des Lebens. Dazu zählt beispielsweise die Überwindung ökonomischer Zwänge oder die wegfallende Notwendigkeit langwieriger Aushandlungsprozesse mit Zwischeninstanzen wie Verlagen oder Runfunkredaktionen. Dazu zählt aber auch eine historisch einmalige Befreiung von äußeren Einengungen und Beeinträchtigungen. Analoge Musik war eine durch und durch von Natur begrenzte Musik. Sie war nicht nur an vorgegebene Tonumfänge und Resonanzeigenschaften gebunden. Sie befand sich auch sonst in einem permanenten Zustand der Unverfügbarkeit, Fehleranfälligkeit und Unvollkommenheit, weil sie in realen Räumen und von realen Menschen aus Fleisch und Blut realisiert werden musste. Im Aggregatzustand des Digitalen hingegen lassen sich Klangräume von einer Ausgewogenheit, Brillianz und akustischen Störungsfreiheit erschaffen, wie keine Architektin sie je erbauen könnte. Digitale Musik vermag komplexe Klangstrukturen in einem Maße auszubalancieren, ihre einzelnen Bestandteile je nach Wunsch kontrolliert zu verschmelzen, punktgenau zu fokussieren oder trennscharf zu separieren, wie es dem trägen menschlichen Ohr unter akustischen Realbedingungen nie möglich wäre. Auch in ihrer Rezeption hat sich digitale Musik von Zeit und Raum entkoppelt: Sie selber ist im Zusammenspiel von Streaming, flächendeckendem WLAN und mobilen Endgeräten an fast jedem Ort verfügbar. Aber auch wir Hörende können uns mit ihrer Hilfe jederzeit völlig autonom in einen Zustand der akustischen Abgeschirmtheit und Ungestörtheit begeben, der uns mittlerweile als normal erscheint, aber tatsächlich erst existiert, seit 1979 der erste serienmäßige Walkman auf den Markt kam.

Last not least vermag digitale Musik einen Grad an Perfektion zu erreichen, von dem man in der analogen Ära nur träumen konnte. Eine Musik ohne Fehler – das war ursprünglich ein religiöses Konzept. Singende Mönchsorden strebten in lebenslangen Exerzitien nach musikalischer Makellosigkeit. Später setzten sich auch weltliche Chöre, Orchester, Virtuosen und Virtuosinnen dieses Ziel, ohne es je erreichen zu können. Dank Digitalisierung ist die Utopie von einst zur Normalität geworden. Als die Musikwissenschaftlerin Christiane Tewinkel anlässlich eines Seminars zur „Kulturgeschichte des musikalischen Fehlers“ nach Klassik-CDs mit hörbaren Fehlern suchte, stellte sie fest: Es gibt sie nicht. Niemand würde eine Aufnahme auf den Markt bringen, in der ein Kiekser oder Verspieler zu hören ist.19 Wer die digitale Makellosigkeit als „unnatürlich“ empfindet, kann sie gezielt abmildern oder auch bewusst überbetonen: Das hörbare Einatmen eines Chors kann punktgenau herausgeschnitten werden. Es kann aber auch Teil der Aufnahme bleiben oder sogar ein zentrales künstlerisches Gestaltungselement werden. Die kalte Perfektion einer künstlich generierten Schlagzeugstimme kann stilprägend sein, sie kann aber auch durch Ungenauigkeits-Algorithmen wieder an die Unvollkommenheit eines realen Spielers angenähert werden. Was bei den Schlagzeugtracks des Synthiepop schon lange üblich ist,20 lässt sich selbstverständlich auch auf alle anderen Ebenen von Musik übertragen: Jedem Aspekt des Produktionsprozesses oder seiner klingenden Resultate lässt sich wahlweise vollkommene Perfektion oder auch ein Stück kontrollierter Unplanbarkeit und Ungenauigkeit einprogrammieren.

Nimmt man dies alles zusammen, dann lässt sich bilanzierend sagen: Digitale Musik transportiert auf ihrer Materialebene das kulturelle Bild einer totalen Unterwerfung, Beherrschbarkeit und handwerklichen Irrelevanz von Natur. „Natürlichkeit“ ist zu einem gestaltbaren Parameter geworden. Als unabänderliche und determinierende Voraussetzung, als ungewollte Beeinträchtigung oder unüberwindbare Begrenzung des Musizierens hingegen hat sie ausgedient. Musik hat sich in einer autarken, störungsfreien und makellosen Gegenwelt eingerichtet, die sich vollständig von den Unzulänglichkeiten der Natur und des Lebens entkoppelt hat. Das Zusammenspiel der verschiedenen digitalen Komponenten ermöglicht jeder Produzentin und jedem Rezipienten unbegrenzte Wahlfreiheit, unbegrenzte Gestaltungsautonomie und unbegrenzte Verfügbarkeit.

Damit scheint sich zugleich auch ein Ideal einzulösen, das die bürgerliche Konzertkultur bereits im neunzehnten Jahrhundert anstrebte,21 ohne dass sie es zu jener Zeit auch nur annähernd hätte einlösen können: Der Musik eine vollständig körperlose Daseinsform zu ermöglichen, in der sie sich von allem Naturgebundenen emanzipiert hat. Es scheint, als wäre Musik noch nie so immateriell gewesen, wie heute. Doch genau dies ist ein großer Irrtum.

Digitale Musik als externalisierter Stoffwechsel

Sprachliche Bilder können trügerisch sein. Dies gilt auch für das Bild der Waage, mit dem ich diesen Text eröffnet habe. Die Vorstellung, Musik sei durch ihre Digitalisierung irgendwie „immaterieller“ geworden, ist von einer besonders trügerischen imaginären Waage geprägt, die zum Beispiel folgendermaßen aussehen könnte: In der einen Waagschale liegen zwei schmale, kleine Geräte – der Laptop einer Komponistin und das Smartphone ihres Zuhörers. In der zweiten Waagschale hingegen türmen sich all jene Dinge, die in der analogen Ära gebaut, gedruckt, gekauft, verwaltet und transportiert werden mussten, damit die musikalischen Einfälle des Komponisten zum Ohr der Hörerin gelangen konnten: Haufenweise Musikinstrumente, Berge von Notenpapier, zusätzlich vielleicht noch Druckmaschinen, Verlagsgebäude, Tourbusse, Equipment, Bühnenpodeste und Konzerthäuser nebst angrenzendem Parkdeck. Ein riesiger Haufen an umweltschädlichem anthropogenem Zeugs.

Sie werden bereits ahnen, dass an diesem Bild etwas nicht stimmt. Aber es ist genau diese grobe Vereinfachung, die den Behauptungen zugrundeliegt, digitale Kultur zähle zum „immateriellen Kulturerbe“22 oder die Digitalisierung von Musik habe zu einer „Entinstitutionalisierung“23 künstlerischer Produktionsprozesse beigetragen. Das Gegenteil ist der Fall: Die Produktion von Musik ist heute materialabhängiger, institutionell verflochtener und damit zugleich auch naturbelastender, als sie es je war – und in der Digitalisierungswaagschale sieht es bei weitem nicht so elegant und aufgeräumt aus, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Bereits in den von uns allen täglich benutzten Endgeräten steckt sehr viel mehr anthropogene Masse, als es den Anschein hat. Aktuelle Zahlen über das „wahre Gewicht“ eines Smartphones der neuesten Generation vermochte ich nicht zu finden, aber die Zahlen der Vergangenheit sprechen für sich: 2004 musste für die Herstellung eines einzigen Desktop-PCs mit Bildschirm das Fünfundsiebzigfache seines Gewicht an Rohstoffen aufgewendet werden.24 Der ökologische Rucksack eines fabrikneuen Mobiltelefons von 2013 hatte bereits das 937fache Gewicht des Geräts.25 Neben den üblichen Chemikalien, Metallen und fossilen Brennstoffen, die auch in herkömmlichen Industrieprodukten zu finden sind, landen in der Waagschale der digitalen Endgeräte zusätzlich zahlreiche weitere Rohstoffe, die gleich in mehrfacher Hinsicht als ökologisch, politisch und menschenrechtlich „kritisch“ gelten.26 Da ist beispielsweise das Leichtmetall Lithium, dessen Abbau an der Dreiländergrenze zwischen Bolivien, Chile und Argentinien die Natur zerstört, das Grundwasser vergiftet und die Lebensgrundlagen indigener Völker bedroht.27 Da sind die sogenannten „Seltenen Erden“, deren besonders reiches Vorkommen in der Arktis eine der letzten unberührten Landschaften der Erde zu einem umkämpften Beuterevier des globalen Rohstoffhungers macht.28 Und da ist das nicht minder begehrte Kobalt, das in der Demokratischen Republik Kongo von Kindern und Erwachsenen unter erbärmlichen und lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen aus privaten Kleinminen und riesigen Abraumhalden geschürft wird.29

Doch natürlich sind diese Endgeräte nur die Spitze des digitalen Eisbergs. „Eine Cloud“, schreibt der Sozialpsychologe Harald Welzer, „stellt man sich ja amorph und körperlos vor, sie ist aber nichts anderes als eine sehr handfeste Serverfarm und besteht aus Beton, Stahl, Blech, Glas, Kunststoff, Schrauben, Klobrillen und so weiter“.30 Diese Serverfarmen verbrauchen schon jetzt immens viel Energie – Tendenz steigend.31 Und diese Energie ist beileibe nicht nur „grün“: Um gegen Stromausfälle abgesichert zu sein, benötigen die Rechenzentren zusätzliche Notstromaggregate, die mit riesigen Dieselmotoren betrieben und regelmäßig durch Probeläufe überprüft werden. „Das Internet stinkt“, heißt es deshalb in einer Tageszeitung, die normalerweise nicht durch übertriebene Kapitalismuskritik auffällt. Im Herzen der Internetkultur rieche es „wie auf einem nächtlichen Autobahnparkplatz, wo die Trucks mit laufendem Motor parken“.32 Kurzum: Digitale Musik ist alles andere als immateriell. Ihre Herstellung ist dreckig und umweltschädlich. Jedes digitale Kunstwerk, jedes hochgeladene Video leistet einen kleinen Beitrag zur Umwandlung von lebendiger Biomasse in tote oder toxische Materie. Und die massenhafte digitale Rezeption von Musik ist ebenso Teil unseres selbstzerstörerischen globalen Stoffwechsels, wie die Verwendung von Einwegplastik oder die Einkaufsfahrt mit dem privaten PKW.

Dies bedeutet nicht, dass Naturzerstörung um der Musik willen etwas komplett Neues wäre. Es gab sie bereits in der analogen Ära und sie war auf vielfältige Weise mit kolonialer Ausbeutung und kultureller Expansion verbunden. Klaviertasten belegte man früher gerne mit Elfenbein, Schellackplatten wurden aus dem Harz der asiatischen Lackschildlaus hergestellt, in Streichinstrumenten wurden und werden seltene Tropenhölzer verbaut. Doch die digitale Ära hat den Energie- und Umweltverbrauch von Musik in völlig neue Dimensionen katapultiert. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Einer davon ist die rasante Beschleunigung von Innovationszyklen, was nicht nur den Rohstoffbedarf anheizt, sondern auch den globalen Elektroschrotthaufen immer schneller wachsen lässt.33 Eine Schallplatte konnte Jahrzehnte, eine Geige Jahrhunderte lang gespielt werden. Das Instrumentarium der digitalen Endgeräte unseres musikalischen Massenkonsums wird im Jahresrhythmus als Elektroschrott ausgeschieden und größtenteils in Senken verklappt.

Ebenfalls enorm gewachsen ist der Energieverbrauch, der für den Konsum von Musik aufgewendet wird. Generell setzt sich in der Forschung mittlerweile die Einsicht durch, dass sich der Energieverbrauch durch die Digitalisierung insgesamt erhöht hat und nicht, wie ursprünglich erhofft, niedriger geworden ist.34 Bei der Musik dürfte es vor allem ihre umfassende, historisch einmalige Verfügbarkeit sein, die den Energieverbrauch in die Höhe treibt. Gerade weil wir Musik nicht mehr in Form von physischen Tonträgern mit uns herumtragen und es stattdessen zur obszönen Normalität geworden ist, sie jederzeit und allerorten abrufen zu können, muss ein irrwitziger Energieaufwand aufgebracht werden. Als Kind schnappte ich einmal eine Anekdote über einen Adligen auf, der sich von seiner Hofküche im Minutentakt Eier kochen ließen, um just in dem Moment, wo er von der Jagd heimkehrte, das perfekt gekochte Ei vorzufinden. Digitalisierung versetzt dreieinhalb Milliarden Smartphonenutzer in die Rolle dieses verschwenderischen Adligen – und zwar bezogen auf die Gesamtheit aller Musik. „Streaming“ bedeutet ja nichts anderes, als dass jegliche existierende Musik pausenlos und unter permanenter Energiezufuhr vor sich hin köchelt und für sämtliche Menschen, die sich ein digitales Endgerät leisten können, zum sofortigen Konsum bereitgehalten wird. Führt man sich die schwindelerregenden Dimensionen dieses monumentalen Irrsinns vor Augen (2019 wurden bei YouTube pro Minute Videos mit einer Gesamtspieldauer von mehr als fünfhundert Stunden hochgeladen),35 dann verwundert es nicht, dass der norwegische Musikwissenschaftler Kyle Devine nach akribischen Recherchen und Berechnungen zu dem Ergebnis kommt, dass Streaming die mit Abstand umwelt- und klimaschädlichste Form der Konservierung von Musik ist, die es je gegeben hat.36

Eines der Erfolgsrezepte der Digitalisierung besteht darin, dass sie dies alles unsichtbar macht. Die Waagschale, in der unser schlankes, glänzendes Notebook liegt, bleibt sauber, weil Serverfarmen und toxischer Elektroschrott gar nicht erst mit auf die Waage kommen. Sie befinden sich weit weg, außerhalb unserer Wahrnehmung. Digitale Musik wird damit zum perfekten Soundtrack für das, was der Soziologe Stephan Lessenich als „Externalisierungsgesellschaft“ bezeichnet. Seine Diagnose: „Wir leben nicht über unsere Verhältnisse. (...) Wir leben über die Verhältnisse anderer“.37 In seinem Buch mit dem Titel „Neben uns die Sintflut“ illustriert Lessenich diese Aussage unter anderem mit der Produktion von Sojabohnen, Palmöl und Baumwolle.38 Doch sie gilt in gleichem Maße für die vorgegaukelte Immaterialität von Sampling und Streaming. Auch digitale Musik ist ein Stück „Wohlstandsgenuss zu Lasten anderer“,39 der die Kosten und Lasten unseres Fortschritts auslagert und „ins Jenseits der gesellschaftlichen Wahrnehmung“40 verschiebt.

Die im vorangegangenen Abschnitt beschriebene Kontrolle und Entkopplung von Natur wird damit zu einer reinen Simulation. Digitale Musik bringt nicht weniger, sondern viel mehr Schmutz, Störung und Naturverbrauch mit sich, als analoge Musik. Doch für diese hässlichen Seiten der digitalen Musik und für alles das, was an anderen Orten der Welt an tatsächlicher Arbeit und Energie in sie eingeflossen ist, gilt das gleiche, was Harald Welzer über das elegante Design der Apple-iPhones schreibt: Es bleibt „unsichtbar und soll auch unsichtbar sein“.41

Digitale Musik als Inbesitznahme von Natur

Gerade diese fehlende Sichtbarkeit aber macht es schwer, überhaupt noch irgendeine kritische Distanz zur Digitalisierung einzunehmen. Während vegane Ernährung oder der Verzicht auf Flugreisen mittlerweile gesellschaftlich hochgeachtet sind, müffelt Digitalisierungsskepsis stets ein wenig nach Weltfremdheit.42 Noch schwerer ist es, eine solche Skepsis in konkretes Handeln umzusetzen. Den Grund dafür kennen wir alle: Digitale Medien und Arbeitsweisen bieten derart viele Vorzüge und sind so sehr mit allen Fasern unserer Existenz zusammengewachsen, dass ein Verzicht der Amputation eines lebenswichtigen Organs gleichkäme. Für eine Komponistin oder einen Musiker beispielsweise würde digitale Abstinenz unweigerlich dazu führen, sich selbst in der Öffentlichkeit zum Verschwinden zu bringen. Auch ich lebe permanent in diesem Widerspruch, der beim Schreiben dieses Texts besonders deutlich zutage tritt. Ich lade Videos hoch, schreibe zwanzig bis fünfzig Emails am Tag, publiziere und recherchiere fast nur noch online. Es wäre für mich eine furchterregende Vorstellung, dies alles nicht mehr tun zu können.

Aber auch auf handwerklicher und ästhetischer Ebene sind die Vorzüge des Digitalen überwältigend. Es gibt buchstäblich nichts mehr, das sich nicht auf irgendeine Weise in Musik verwandeln ließe. Jeder erdenkliche Klang kann einem Arrangement beigemischt, jegliche Impulse und Daten können in musikalische Kontexte eingebunden werden. Damit (über-)erfüllt sich ein uralter Musikertraum, der spätestens in der Barockzeit begann: alles musikalisch darstellen, alles miteinander kombinieren, alles zu Musik machen zu können. Bereits ein Johann Sebastian Bach sprengte die Grenzen des Quintenzirkels, schöpfte aus allem, was das Musikverständnis seiner Zeit hergab und ermöglichte eine bis dato unbekannte Durchlässigkeit zwischen den Stilen, Affekten und Tonarten. In der Neuen Musik des zwanzigsten Jahrhunderts wurde die Verknüpfung und Eroberung neuer Territorien des Klingenden zum zentralen Lebenselixier. Maschinenklänge, Kinderspielzeug, Alltagsgegenstände, gesprochene Sprache: Die Liste dessen, was im Verlauf dieser hundert Jahre in „komponierbares Material“ umgedeutet wurde, ist endlos. Phasenweise überschritt dieser Hunger auf Neues und Unverbrauchtes auch die Grenzen des Klingenden und expandierte in verschiedenste Regionen des Außermusikalischen. Soziale Interaktionen wurden zu Kompositionen; Gebäude zu bespielbaren und begehbaren Klangkörpern; Gesten, Bewegungen, Licht und Video zu Instrumentalstimmen einer ins Visuelle erweiterten Polyphonie.

Digitale Musik fügt sich schlüssig in diese Tradition – auch und gerade dort, wo es darum geht, der Natur eine musikalische Stimme zu geben. Kombiniert man die unendliche Klaviatur des Digitalen mit dem vieldimensionalen Quintenzirkel eines erweiterten Kunstbegriffs, dann ist alles möglich: Jedes Lebewesen kann in einer Sinfonie mitspielen, jede Landschaft zum begehbaren Konzertsaal werden. Komplexeste ökologische Zusammenhänge können in interaktiven Erlebnisräumen sinnlich erfahrbar werden. Jede erdenkliche Naturbeziehung kann auf jede erdenkliche Weise dargestellt und kommentiert werden. Dabei können Naturklang und musikalischer Klang, Ironie und Witz, Bitterkeit und Sarkasmus, zitathafte Anklänge und unerhört Neues mit einer Genauigkeit dosiert werden, die sich mit rein analogen Mitteln kaum herstellen ließe.

Der Haken an der Sache: Damit all diese großartigen Dinge möglich werden, benötigen sie einen Prozess der Umwandlung. Um musikalisch gestaltbar zu werden und „mitspielen“ zu können, muss Natur zunächst in eine künstlerisch bearbeitbare Form gebracht werden. Sie muss gewissermaßen in den Aggregatzustand des Digitalen übersetzt werden – sei es, indem Naturklänge aufgenommen und digital gespeichert werden oder sei es, indem Messergebnisse oder Naturphänomene in binäre Signale umgewandelt werden. Es liegt in der Unnatur der Sache, dass der weiter oben beschriebenen Logik dabei nicht zu entkommen ist. Externalisierung und Entkopplung sind zentrale und unveränderliche Wesensmerkmalen digitaler Musik. Sie lassen sich auch dann nicht abstreifen, wenn die künstlerische Intention in eine völlig andere Richtung geht. Besonders schmerzhaft wird dies dann, wenn Musik selbst zu einer Stimme im Nachhaltigkeitsdiskurs werden soll. Es ist nicht in erster Linie die konkrete, messbare Umweltbelastung, die diese Diskrepanz zwischen Form und Inhalt so fragwürdig macht. Die Schadensbilanz eines einzelnen Videos oder Samples ist (ähnlich wie die einer einzelnen Plastiktüte) eher gering. Als viel problematischer empfinde ich die unterschwelligen und bewusstseinsbildenden Wirkungen der digitalen Normalität. In der Regel führen sie – so wie jede „dauerhafte strukturelle Nicht-Nachhaltigkeit“ – zu einem „Einrichten in gelebten Widersprüchlichkeiten“.43 Erst wenn man sich intensiv mit den hier skizzierten Zusammenhängen auseinandersetzt, wird die Dissonanz der Externalisierung überhaupt „hörbar“ und beginnt störend in den ästhetischen Gehalt oder die vermittelten Inhalte hineinzutönen. Davon aber ist unsere Gesellschaft gegenwärtig noch weit entfernt. Ein Supermarkt, der Plastiktüten mit Appellen für mehr Naturschutz bedrucken ließe, müsste auf den entrüsteten Shitstorm nicht lange warten. In klimabewegten YouTube-Videos hingegen sieht niemand einen inneren Widerspruch.

Ich bin überzeugt davon (auch wenn ich diese These, abgesehen von persönlicher Selbstbeobachtung, nicht empirisch belegen kann), dass unsere digitale Musikkultur aktiv zur Naturentfremdung beiträgt. Dies scheint mir verstärkt dort zu gelten, wo Natur selbst zum musikalischen Thema wird. Digitale Musik bildet einen Kontext, in dem Naturbeziehung ausschließlich in Form von Aneignung möglich ist. Für die programmatische oder reflektierende Bezugnahme auf Natur braucht es zuvor eine digitale Inbesitznahme von Natur. Gerade weil sich digitale Musik scheinbar vollständig von Natur entkoppelt hat, kann diese abwesende Natur nicht mehr als Raum bespielt, als widerspenstiges Werkmaterial bearbeitet, als freundliches oder feindliches Gegenüber adressiert werden. Die einzig mögliche Beziehung zur Natur ist ihre Vereinnahmung und Funktionalisierung für das jeweilige künstlerische Konzept. Dies gilt auch dort, wo die konzeptionelle Ebene von Demut oder Zivilisationskritik getragen ist. Natur mit digitalen Mitteln in den Kompositionsprozess einzubeziehen bedeutet auch hier unweigerlich, ihr mit einer Haltung des Herrschens, der Inbesitznahme und uneingeschränkten Kontrolle gegenüberzutreten. Eine Öko-Soundscape kann also noch so naturbejahend, die digitale Sonifikation von Klimadaten noch so wachstumskritisch sein – letztlich können derartige Konzept gar nicht anders, als ein klein wenig von dem zu reproduzieren, was sie eigentlich kritisieren möchten. Denn auch sie tragen dazu bei, dass (wenn auch in sehr geringem Umfang und in unbestreitbar guter Absicht) Natur aufgezehrt und menschlichen Zwecken untergeordnet wird. Die Digitalisierung von Vogelstimmen und Gletscherklängen verbraucht nicht weniger natürliche Ressourcen als die Digitalisierung von Motorengeräuschen für einen Ferrari-Werbespot. Mit jedem Sample wird ein weiteres Tröpfchen Gift in die Biosphäre geträufelt. Jede digitale Waldsimulation leistet irgendwo auf der Welt einen weiteren, winzigen Beitrag zur Umwandlung von Biomasse in anthropogene Masse.

Nun kann man sich natürlich auf den Standpunkt stellen, dass die Frage des Mediums zweitrangig ist, solange der Inhalt künstlerisch relevant ist oder einer guten Sache dient. Doch wie wirkt es sich auf Dauer aus, wenn die Hegemonie des Digitalen es auch in der Kunst als völlig normal erscheinen lässt, Natur als einen beliebig verwert- und verwendbaren Rohstoff zu betrachten? Wird diese Eigengesetzlichkeit des Mediums letztlich nicht eine stärkere Wirkung entfalten, als alle gut gemeinten Inhalte? Und kommen wir dem Gletscher oder dem Regenwurm wirklich näher, indem wir sie in die Klaviatur der digitalen Musik einreihen? Auch sie machen wir auf diese Weise zu einem Besitztum, das wir künstlerisch gestalten und kontemplativ betrachten können, ohne dass wir dafür Gummistiefel brauchen oder uns die Hände schmutzig machen müssen. Und auch sie werden auf diese Weise zum Medium der immer gleichen Botschaft: Natur unterliegt unserer Kontrolle und Gestaltungshoheit. Sie ist beherrschbar und hat für uns da zu sein.

Diese Beherrschbarkeit besitzt eine große Attraktivität. Aber sie ist zugleich auch ein Abbild jener dysfunktionalen Naturbeziehung und jenes „Arrangements der Einverleibung“,44 in denen unsere globale Misere eine ihrer vielen Wurzeln hat. Und vielleicht ist es ja ein gar nicht so unwesentlicher Teil dieses großen, epochalen Problems, dass Smartphones und das was aus ihnen herauskommt, die meisten Menschen unendlich viel mehr interessieren und faszinieren, als Regenwürmer und das was aus diesen herauskommt.

Plädoyer für eine Avantgarde des Analogen

„Great mindshift“, „Große Transformation“, „Donut-Ökonomie“, „Neue Aufklärung“, „Reduktive Moderne“:45 Es gibt unterschiedliche Bezeichnungen für den tiefgreifenden Kulturwandel, den das einundzwanzigste Jahrhundert braucht, um aus der Klima- und Umweltkrise herauszufinden. Bei allen Unterschieden im Detail haben die genannten Lösungsszenarien eines gemeinsam: Sie gehen davon aus, dass es planetare Belastungsgrenzen gibt, die nicht überschritten werden dürfen und dass ungebremstes Wachstum deshalb ins Verderben führt. Und sie sind von der Überzeugung geleitet, dass dieses Problem auch eine kulturelle Dimension hat und sich nicht allein mit neuen Technologien lösen lassen wird. Das kulturelle Konstrukt einer unerschöpflichen und vollständig beherrschbaren Natur ist nach jahrhundertelanger Erfolgsgeschichte an seine Grenzen gestoßen.

Die Etablierung einer neuen Naturbeziehung ist eine gewaltige Aufgabe, für die es alle kulturellen Ressourcen braucht. Regionale Eigenarten und kulturelle Unterschiede werden dabei eine wichtige Rolle spielen. In vielen Lösungsvorschlägen geht es deshalb gerade nicht um Patentrezepte für die eine, große Weltgesellschaft, sondern um eine möglichst große Vielfalt regionaler Lösungsansätze. Auch dafür gibt es viele Bezeichnungen. Da ist beispielsweise von „Reallaboren“, „Regionalen Postwachstumsökonomien“ oder „Pionier*innen des Wandels“ die Rede. Von Menschen also, die den Mut haben, sich auf neue Formen des Wirtschaftens und Zusammenlebens einzulassen und von Orten, an denen zukunftsfähige Lebensformen erprobt und eingeübt werden können. Musik spielt in diesen Lösungsszenarien bislang kaum eine Rolle. Neue Musik erst recht nicht. Das ist schade, denn ich glaube, ihre Stimme könnte wichtig und wertvoll sein – und zwar auch ohne dass sie sich mit der Klaviatur der unbegrenzten digitalen Möglichkeiten bewaffnen muss. Meiner Überzeugung nach brauchen wir eine neue Avantgarde des Analogen. Reallabore der Resonanz. Experimentierfelder für neue Naturbeziehungen. Und ich glaube, dass das musikalische Erbe der Neuen Musik dafür einige besonders wertvolle Voraussetzungen bieten kann.

Seien wir ehrlich: Welche konkreten Konsequenzen und Handlungsoptionen ergeben sich denn aus den Zusammenhängen, die ich zu beschreiben versucht habe? Die illusionslose Antwort lautet: Überhaupt keine – zumindest für die große Mehrheit. Es wäre naiv, in näherer Zukunft auf einen breiten pop- oder alltagskulturellen Diskurs über die Umweltkosten von Streaming und digitaler Musikproduktion zu hoffen. Und es wäre geradezu lächerlich, aus den hier skizzierten abstrakten Zusammenhängen konkrete Verzichtsforderungen abzuleiten und – ähnlich wie bei Tempolimit, Flugverzicht und Veggieday – eine Debatte über digitale Abstinenz oder gesetzliche Regulierungen des Musikkonsums vom Zaun zu brechen. Mit quantitativen Argumenten würde man in einer solchen Debatte sofort den Kürzeren ziehen. Denn natürlich ist der Klima- und Umweltschaden, der von einem einzelnen Musikvideo ausgeht, verschwindend gering. Und natürlich wäre der ideelle Schaden eines solchen Eingriffs gewaltig. Kunstfreiheit lässt sich nicht gegen Biomasse aufrechnen. Und der Wert eines Musikstücks lässt sich nicht in Treibhausgas-Emissionen bemessen. Ein Umdenken wird sich deshalb, gerade in Kunst und Musik, nicht von außen diktieren oder mit Zahlen herbeiargumentieren lassen. Es kann nur von innen, auf der Grundlage eines bereits vorhandenen Wertefundaments entstehen.

Das Erbe der Neuen Musik bietet ein solches Wertefundament. Ich meine damit keine bestimmte ästhetische Strömung oder musikalische Sprache, sondern eine Grundhaltung, die im zwanzigsten Jahrhundert weitverbreitet war. Darüber, wie sehr der Begriff der „musikalischen Avantgarde“ in die Jahre gekommen ist, wurde in den letzten Jahrzehnten mehr als genug geschrieben und gespottet. Aber vielleicht ist es an der Zeit, ihn unter veränderten Vorzeichen wiederzuentdecken. Es könnten sich in ihm einige Qualitäten finden lassen, die gegenwärtig wieder unerwartet aktuell und wertvoll werden. Schaut man in die Geschichtsbücher der musikalischen Moderne, dann stößt man dort beispielsweise auf eine große Bereitschaft, in komplexen Zusammenhängen zu denken und den Dingen auf den Grund zu gehen. Man stößt auf ein Verständnis von künstlerischer Relevanz, die nicht zwingend auf hohe Reichweiten und Klickzahlen (damals sagte man noch „Einschaltquoten“) angewiesen sein muss. Man stößt auf Veränderungsbereitschaft und Experimentierfreude; auf das verbindende Gefühl, immer wieder aufbrechen zu müssen und einen Neuanfang wagen zu können. Vor allem aber stößt man auf ein großes, zentrales Narrativ, das gerade vor dem hier skizzierten Hintergrund hochinteressant wird: die Suche nach Wahrhaftigkeit im musikalischen Material.

Diese ideell aufgeladene Materialästhetik kannte viele Spielarten. So galten beispielsweise im Westdeutschland der Nachkriegszeit bestimmte Akkordverbindungen oder Klangfarben als regelrecht „kontaminiert“: Als vorbelastetes Erbe einer kritikwürdigen und missbräuchlichen Verwendung von Musik, an die man ebenso wenig anknüpfen wollte, wie an die triumphalistische Architektur oder die propagandistische Sprache des Nationalsozialismus. Quantifizierbare Größenordnungen spielten dabei keine Rolle. Die „Verbrauchtheit“ eines Dreiklangs oder die „Zitathaftigkeit“ einer Melodiefloskel ließ sich mit keiner Waage dieser Welt messen. Ob das Vokabular eine Komposition „widerständig“ oder „affirmativ“ war, erschloss sich nur, wenn man die dahinterstehenden, hochkomplexen ästhetischen Diskurse kannte.

Es geht mir hier nicht darum, alte Dogmen zu neuem Leben zu erwecken. Aber man kann aus der Gewissenhaftigkeit und dem Eifer, mit dem damals über zulässige und unzulässige Töne gestritten wurde, etwas für unsere digitale Gegenwart lernen: Es muss nicht gleichgültig sein, aus welchem Stoff unsere Musik geformt ist. Es muss nicht abwegig sein, auch die Fernwirkungen und verborgenen Implikationen des eigenen Tuns zu reflektieren. Es kann sogar künstlerisch relevant und bereichernd sein, Verantwortung für die materiellen Dimensionen von Musik zu übernehmen.

Mit der Rückbesinnung auf eine ideengeschichtliche Tradition, die es nahelegt, selbstkritisch über die eigene Materialverwendung nachzudenken, könnte ein wichtiges Thema besetzt werden. Es gibt in unserer Gesellschaft starke gesellschaftliche Bewegungen für Klimaschutz und vegane Ernährung, gegen Waldrodungen und Billigflüge. Doch es gibt keine nennenswerte digitalisierungskritische Bewegung von vergleichbarer Größe. Das Unbehagen an der totalen Durchdigitalisierung aller Lebensbereiche hat sich weitgehend ins Private oder Resignative zurückgezogen. Wer auch sollte hier noch den Part der Gegenöffentlichkeit übernehmen? Universitäten? NGOs? Medien? Sie alle sind selbst Treiber und Getriebene der Digitalisierung. Es bräuchte an dieser Stelle ähnlich mutige, radikale und „ab-wegige“ Keimzellen, wie es einst die künstlerischen Avantgarden des zwanzigsten Jahrhunderts waren. Menschen, die in der Lage sind, die Dissonanz der Externalisierung wahrzunehmen und die experimentierfreudig genug sind, um an möglichst vielen Orten auf möglichst unterschiedliche Weisen nach Alternativen zu suchen. Eine dieser vielen, kleinen Erneuerungsquellen könnte das sein, was einmal „Neue Musik“ hieß.

Dabei sollte man sich nicht mit den Lösungen von vorgestern begnügen und erneut irgendetwas zertrümmern, in die Luft sprengen, erobern oder sich aneignen wollen. Nein, es geht um etwas viel Radikaleres und Subversiveres: die Computer abzuschalten. Vor die eigene Haustür zu gehen. Sich ungeschützt der Vielstimmigkeit, dem Artenreichtum und der Unordnung des realen Lebens auszusetzen und – statt weiterhin Biomasse zu plündern und in toxischen Müll und Treibhausgase umzuwandeln – die Regenwürmer möglichst ungestört das tun zu lassen, was sie seit Jahrmillionen tun: uns beim Überleben helfen.

1So der Titel des Berichts des Club of Rome zur Lage der Menschheit von 1972 (Dennis Meadows et al., München: DVA).

2Vergleiche Emily Elhacham et al, „Global human-made mass exceeds all living biomass“, https://www.nature.com/articles/s41586-020-3010-5 (2021). Die Studie bezieht sich nur auf solche menschengemachten Materialien, die aktuell in Gebrauch sind. Kalkuliert man zusätzlich auch Müll und Bauschutt mit ein, muss der Wendepunkt erheblich früher datiert werden (vergleiche Reinhold Leinfelder, „Die menschengemachte Masse – Darf’s ein bisschen mehr sein?“, https://scilogs.spektrum.de/der-anthropozaeniker/die-menschengemachte-masse-darfs-ein-bisschen-mehr-sein (2021).

3Ähnlich wie bei der Erderwärmung gehen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auch beim Verlust der Biodiversität davon aus, dass es Kipppunkte gibt, ab denen ein zerstörerischer Dominoeffekt einsetzt. Die Zusammenhänge sind jedoch zu komplex und zu wenig erforscht, um sie exakt modellieren und vorhersagen zu können.

4Vergleiche hierzu etwa Matthias Glaubrecht, Das Ende der Evolution. Der Mensch und die Vernichtung der Arten, München: Bertelsmann, 2019 sowie WWF, „Living Planet Report 2020. Bending the curve of biodiversity loss“, https://www.wwf.de/fileadmin/user_upload/living-planet-report/2020/Living-Planet-Report-2020-english-version.pdf (2020) und Thomas A. Neubauer, „Current extinction rate in European freshwater gastropods greatly exceeds that of the late Cretaceous mass extinction“, https://www.nature.com/articles/s43247-021-00167-x (2021).

5Seit dem Klassiker „Silent Spring“ von Rachel Carson (1962) ist das Motiv der verstummenden Natur vielfach aufgegriffen worden – in den letzten Jahren beispielsweise von Volker Angres/Claus-Peter Hutter (Das Verstummen der Natur. Das unheimliche Verschwinden der Insekten, Vögel. Pflanzen – und wie wir es noch aufhalten können, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2019) oder dem Muséum national d’histoire naturelle, „Le printemps 2018 s’annonce silencieux dans les campagnes françaises“ (https://www.mnhn.fr/fr/recherche-expertise/actualites/printemps-2018-s-annonce-silencieux-campagnes-francaises, 2018).

6Vergleiche Meret Signer, „Hier singt ein ausgestorbener Vogel“, https://www.tierwelt.ch/news/wildtiere/hier-singt-ein-ausgestorbener-vogel (2019).

7Vergleiche Otto Ehrmann, „Regenwürmer in den Böden Baden-Württembergs – Vorkommen, Gefährdung und Bedeutung für die Bodenfruchtbarkeit“, https://www.zobodat.at/pdf/Berichte-naturf-Ges-Freiburg-Br_105_0125-0176.pdf (2015) sowie Volker Hahn, „Lokale Regenwurm-Vielfalt in Europa größer als in den Tropen“, https://www.uni-jena.de/191024_Regenwurmvielfalt (2019) und HyperSoil (2004): „Lebewesen im Boden: Bodenorganismen“, https://hypersoil.uni-muenster.de/0/06/03.htm (2004).

8Vergleiche Helen Phillips et al., „Global distribution of earthworm diversity“, https://science.sciencemag.org/content/366/6464/480 (2019) sowie BMU, „Biodiversität im Boden. Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen“, http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/091/1909179.pdf (2019).

9Vergleiche Ute Scheub/Stefan Schwarzer: Die Humusrevolution. Wie wir den Boden heilen, das Klima retten und die Ernährungswende schaffen. München: Oekom, 2017 und WWF, „Das Regenwurm-Manifest. Für lebendige Böden und einen funktionierenden Wasserhaushalt“, https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/WWF-Regenwurm-Manifest.pdf (2016).

10Vergleiche Mailin Gaupp-Berghausen, „Glyphosate-based herbicides reduce the activity and reproduction of earthworms and lead to increased soil nutrient concentrations“, https://www.nature.com/articles/srep12886 (2015) und Helen Phillips et al., „Global distribution of earthworm diversity“, https://science.sciencemag.org/content/366/6464/480 (2019).

11Vergleiche Gregory Cooper et al., „Regime shifts occur disproportionately faster in larger ecosystems“, https://www.nature.com/articles/s41467-020-15029-x (2020). Deutschsprachige Zusammenfassung: Jan Dönges, „Große Ökosysteme kollabieren mit erhöhter Geschwindigkeit“, https://www.spektrum.de/news/grosse-oekosysteme-kollabieren-mit-erhoehter-geschwindigkeit/1711748 (2020).

12Der Musikkritiker Walter Abendroth, zitiert nach Peter Donhauser, Elektrische Klangmaschinen. Die Pionierzeit in Deutschland und Österreich, Wien: Böhlau, 2007, 73.

13Friedrich Hofmann 1964, zitiert nach Christa Kirschbaum, Singen in der Gemeinde. Darstellung und Vergleich dreier Konzeptionen zum Gemeindesingen in der Evangelischen Kirche in Deutschland, unveröffentlichte Diplomarbeit, Essen 1986, 41.

14Friedrich Blume 1960, zitiert nach Winfried Kurzschenkel, Die theologische Bestimmung der Musik. Neuere Beiträge zur Deutung und Wertung des Musizierens im christlichen Leben, Trier: Paulinus, 1971, 594.

15Der Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung für globale Umweltveränderungen nennt hier unter anderem die Präzisionlandwirtschaft, das Monitoring von Ökosystemen und biologischer Vielfalt, die Förderung solidarischer Lebensstile sowie eines kollektiven Weltbewusstseins für nachhaltige Entwicklung (Vergleiche WBGU, Unsere gemeinsame digitale Zukunft, Berlin 2019, 160–286).

16Zu Marcus Maeders Arbeiten vergleiche Lukas Denzler, Sounding Soil. Die Musik der Böden“, https://zett.zhdk.ch/2019/02/20/sounding-soil-die-musik-der-boeden/ (2019). Zu den „Electrical Walks“ von Christina Kubisch vergleiche Marion Saxer, „O-Ton-Rauschen. Der Wald in der akustischen Kunst und Klangkunst der Moderne“, in: Ute Jung-Kaiser (Herausgeberin), Der Wald als romantischerTopos. 5. Interdisziplinäres Symposion der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main, Bern: Peter Lang, 2007, 269–282. Zu Erwin Staches Projekten „Ludwig nimmt die Treppe“ und „Arten Sterben“ vergleiche Henning Hübert, „Künstler lässt Treppe erklingen“, https://www.deutschlandfunkkultur.de/experiment-ludwig-nimmt-die-treppe-kuenstler-laesst-treppe.2165.de.html?dram:article_id=338202 (2015) sowie Erwin Stache, „Arten Sterben“, http://www.erwin-stache.de/Start/Objekte/M_S/MagAug/_19ArtenSt/Artensterben.htm (2019).

17 FAO/Filac, „Forest governance by indigenous and tribal peoples. An opportunity for climate action in Latin America and the Caribbean“, https://burness.com/assets/pdf_files/fao-filac-final-report-en.pdf (2021), 99.

18Vergleiche Christine Dettmann/Gerrit Lohmann/Bernhard König, „Bedrohte Musikkulturen“, https://www.youtube.com/watch?v=3QJU1B6ElyY (2020).

19Vergleiche Andi Hörmann, „Ode an den Fehler. Über den Reiz musikalischer Unschärfen“, https://www.deutschlandfunkkultur.de/ode-an-den-fehler-uber-den-reiz-musikalischer-unscharfen-pdf.media.4e3906b44dc9ad6d28f794f7613bbb90.pdf (2015).

20Vergleiche Martin Dostál, „Genetic algorithms as a model of musical creativity – on generating of a human-like rhythmic accompaniment“, https://cai.type.sk/content/2005/3/genetic-algorithms-as-a-model-of-musical-creativity-on-generating-of-a-human-like-rhythmic-accompaniment/1504.pdf (2005), 332.

21Die Emanzipation der Musik von ihren körperlichen, affektiven und „primitiven“ Wirkungen war ein wichtiges Motiv in der Musikphilosophie der Aufklärung. Für Christian Friedrich Michaelis, Eduard Hanslick und andere Vordenker der Autonomieästhetik sollte Musik als Ausdruck „tönend bewegter Formen“ ein Spiegelbild menschlicher „Größe und Erhabenheit“ sein.

22Vergleiche Nana Brink, „Digitale Kunst soll Weltkulturerbe werden“, Deutschlandfunk Kultur, https://www.deutschlandfunkkultur.de/demoszene-stellt-unesco-antrag-digitale-kunst-soll.2156.de.html?dram:article_id=475554 (2020).

23Vergleiche Harry Lehmann, Die digitale Revolution der Musik. Eine Musikphilosophie. Mainz: Schott, 2012, 77 und folgende Seiten.

241, 8 Tonnen Rohmaterial wurden für die Herstellung eines vierundzwanzig Kilogramm schweren PCs aufgewendet. Vergleiche United Nations University, „Study tallies environmental cost of computer boom“, https://archive.unu.edu/update/archive/issue31_5.htm (2004).

25Hier waren es fünfundsiebzig Kilogramm Materialaufwand für ein achtzig Gramm leichtes Mobiltelefon (kein Smartphone!). Vergleiche Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, „18 Factsheets zum Thema Mobiltelefone und Nachhaltigkeit“, https://wupperinst.org/uploads/tx_wupperinst/Mobiltelefone_Factsheets.pdf (2013). Der Berechnung liegt die ebenfalls vom Wuppertaler Klimainstitut entwickelte MIPS-Formel (Material-Input pro Serviceeinheit) zugrunde (Vergleiche Michael Ritthof et al., „MIPS berechnen. Ressourcenproduktivität von Produkten und Dienstleistungen“, https://epub.wupperinst.org/frontdoor/deliver/index/docId/1533/file/WS27.pdf, 2002).

26Vergleiche Thomas Graedel et al., „Criticality of metals and metalloids“, https://www.pnas.org/content/112/14/4257 (2015) sowie Donata Riedel, „Der Rohstoffhunger der Digitalwirtschaft wird zum Problem“, https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/rohstoffkongress-der-rohstoffhunger-der-digitalwirtschaft-wird-zum-problem/22764402.html?ticket=ST-3537245-UUY6NkEncRk60CfFDCr9-ap1 (2018) und TÜV Nord, „Die fünf Rohstoffe der digitalen Welt“, https://www.tuev-nord.de/explore/de/die-fuenf-rohstoffe-der-digitalen-welt (2020).

27Vergleiche Amnesty International, „Amnesty International Report 2020/21. Zur weltweiten Lage der Menschenrechte“, https://www.amnesty.de/sites/default/files/2021-04/Amnesty-Report-2020-Broschuere-Kapitel-auf-Deutsch-April-2021.pdf (2021) und Susanne Götze, „Kehrseite der Energiewende“, https://www.deutschlandfunk.de/lithium-abbau-in-suedamerika-kehrseite-der-energiewende.724.de.html?dram:article_id=447604 (2019).

28Vergleiche Dietmar Pieper, „Machtkampf mit dem Eisbrecher“, https://www.spiegel.de/politik/ausland/klimawandel-wettlauf-um-erdgas-oel-und-seltene-erden-in-der-arktis-a-1274371.html (2019) und Sara Moraca, „Der Kampf um Grönlands Bodenschätze“, https://www.dw.com/de/der-kampf-um-grönlands-bodenschätze/a-57145542 (2021).

29Vergleiche René Gräber, „Kinderarbeit beim Kobaltabbau im Kongo für Smartphones und E-Autos“, https://www.lost-children.de/kinderarbeit-beim-kobaltabbau-im-kongo/ (2021).

30Harald Welzer, Die smarte Diktatur. Der Angriff auf unsere Freiheit, Frankfurt am Main: Fischer, 2016, 66–67.

31Andreas Schneider, „So viel Energie verbraucht das Internet“, https://www.quarks.de/technik/energie/so-viel-energie-verbraucht-das-internet/ (2019).

32Niklas Maak, „Auch das Internet hat einen Auspuff“, https://zeitung.faz.net/faz/feuilleton/2018-01-13/auch-das-internet-hat-einen-auspuff/102139.html (2018).

33Vanessa Forti et al., „The Global E-waste Monitor 2020. Quantities, flows, and the circular economy potential“. United Nations University, http://ewastemonitor.info/wp-content/uploads/2020/12/GEM_2020_def_dec_2020-1.pdf (2020), 13. Deutschsprachige Zusammenfassung: BR Wissen, „Globaler E-Waste-Monitor 2020: Viel mehr Elektroschrott weltweit“, https://www.br.de/nachrichten/wissen/globaler-e-waste-monitor-2020-viel-mehr-elektroschrott-weltweit (2020).

34Steffen Lange et al., „Digitalization and energy consumption. Does ICT reduce energy demand?“, http://www.santarius.de/wp-content/uploads/2020/08/Digitalization-and-energy-consumption-Ecological-Economics-LangePohlSantarius-2020.pdf (2020).

35Vergleiche James Hale, „More Than 500 Hours Of Content Are Now Being Uploaded To YouTube Every Minute“, https://www.tubefilter.com/2019/05/07/number-hours-video-uploaded-to-youtube-per-minute, (2019).

36Kyle Devine, Decomposed. The political ecology of music, London: MIT Press, 2019.

37Stephan Lessenich, Neben uns die Sintflut. Die Externalisierungsgesellschaft und ihr Preis. Berlin: Hanser, 2016, 64.

38Ebenda, 82 und folgende Seiten.

39Ebenda, 17.

40Ebenda, 69.

41Harald Welzer, siehe Fußnote 30, 74–75.

42Die Medienpädagogin Paula Bleckmann stellt den Begriff der „Weltfremdheit“ vom Kopf auf die Füße, wenn sie berichtet, wie Grundschulkinder „die draußen einen Schmetterling sehen (...) über die Fensterscheibe wischen, um ihn zu vergrößern. Und wenn das nicht klappt, denken sie, die Scheibe ist kaputt. Das nenne ich weltfremd, wenn die Welt vor allem aus Bildschirmwelt besteht“ (zitiert nach Peter Hanack, „Eine Grundschule ohne Tablets ist das Gegenteil von weltfremd. Interview mit Paula Bleckmann“, https://www.fr.de/wissen/schule-smartphone-tablet-digitales-lernen-interview-12255862.html, 2019).

43Bernd Sommer/Harald Welzer, Transformationsdesign. Wege in eine zukunftsfähige Moderne, München: Oekom, 2017, 40.

44Stephan Lessenich, siehe Fußnote 37, 42.

45Die zitierten Begriffe stammen aus Schriften von Maja Göpel, Uwe Schneidewind, Kate Raworth, Ernst Ulrich von Weizsäcker und Harald Welzer.