MusikTexte 177 – Mai 2023, 00

Gisela Gronemeyer ist tot

Und mit ihr enden die MusikTexte

von Rainer Nonnenmann

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Abonnentinnen und Abonnenten,

plötzlich kommt alles anders als geplant. Gisela Gronemeyer ist tot. Als am 9. April 2023, Ostersonntag, kurz vor zehn Uhr morgens die Kirchenglocken in Köln läuteten, erlag sie im Alter von 68 Jahren den Folgen eines Schlaganfalls.

Die Herausgeber und die Redaktion der MusikTexte sind fassungslos über ihren plötzlichen Tod. Mit Gisela verlieren wir eine liebe Freundin und stets freundliche, offene, zugewandte, neugierige, umsichtige und grenzenlos hilfsbereite Kollegin. Die Welt der neuen Musik verliert mit ihr eine herausragende Musikjournalistin, Verlegerin und Übersetzerin, eine der wenigen ersten wirkmächtigen Frauen in einer viel zu lange einseitig von Männern beherrschten Szene. Gisela war Herz, Seele, Kopf und tatkräftiger Arm unserer Zeitschrift. Vierzig Jahre lang hat sie redigiert, kommuniziert, konzipiert. Egal wo und mit wem man sie traf, stets standen die MusikTexte im Mittelpunkt. Alles Andere – Privates, Familie, Gesundheit, Filme, Literatur, Politik und Weltgeschehen – waren erst nachgeordnet von Belang. Gisela verantwortete Redaktion, Layout, Druckfreigabe, Abonnements, Anzeigen, Buchhaltung, Abrechnungen, Mahnungen, Steuerklärung, kurz: alles. Ohne ihre Aufopferungsbereitschaft hätten die 1983 von ihr und den Rundfunkredakteuren für neue Musik Ulrich Dibelius (BR), Ernstalbrecht Stiebler (HR) und ihrem Ehemann Reinhard Oehlschlägel (DLF) gegründeten MusikTexte von Anfang an nicht funktionieren und über so viele Jahre kontinuierlich erscheinen können. Und weil die MusikTexte mit ihr in vielerlei Hinsicht personell, rechtlich und finanziell geradezu identisch waren, endet diese Zeitschrift nun mit ihrem Ableben. Das ist ebenso zwangsläufig wie bitter. Sie selbst und wir alle hatten uns dieses Ende anders gewünscht.

Die MusikTexte wollten von Anfang an eine von einem Musikverlag unabhängige Fachzeitschrift für neue Musik sein und das machen, was andere nicht tun. Das Konzept bestand nicht zuletzt darin, ausgewählte ­Rundfunkmanuskripte, Festivalberichte, Porträtsendungen und Werkkommentare als umgearbeitete Lesetexte dauerhaft einem interessierten Publikum zugänglich zu machen. Da die Autorinnen und Autoren für die Sendungen bereits Rundfunkhonorare erhalten hatten, waren dafür allenfalls noch kleinere Aufwandsentschädigungen und nur für eigens beauftragte Artikel Honorare nötig. Die Kosten für Druck, Versand und einzelne Beiträge wurden durch Abonnements, Einzelverkäufe und Anzeigen gedeckt. Die Hauptlast der redaktionellen Arbeit lag von Anfang an beim Ehepaar Gronemeyer-Oehlschlägel, vor allem bei Gisela. Die GbR war im Wesentlichen ein Nonprofit-Unternehmen, getragen von grenzenlosem Idealismus und der kontinuierlichen Quer­finanzierung durch Oehlschlägels Einkommen als Rundfunkredakteur beziehungsweise Rente ab 2001. Das hieß: Gisela leistete Organisieren, Disponieren, Korrigieren, Lektorieren, Kommunizieren, Fakturieren, Editieren, Akquirieren, Archivieren bis hin zu Buchhaltung, Anschaffung und Wartung neuer Computer und Software et cetera nahezu unentgeltlich. Tatsächlich war sie äußerst fit im Umgang mit Technik und Finanzen. Das wenige an erwirtschaftetem Überschuss diente vor allem dazu, den fiskalischen Status als steuerabzugsfähiges Kleinunternehmen zu erhalten.

Am 3. Juni 1954 im kleinen Ort Sögel im Emsland als drittältestes von sieben Kindern geboren, begann Gisela früh Blockflöte und Trompete zu spielen, vereinzelt auch öffentlich aufzutreten. Ihre Musikalität zeigte sich auch im Spiel von Klavier und Violoncello, auch zusammen mit ihrer jüngeren Schwester Andrea im Streichquartett. Erste journalistische Erfahrungen sammelte sie als Chefredakteurin der Schülerzeitung. Nach dem Abitur studierte sie Musikwissenschaft, Germanistik, Skandinavistik und Publizistik in Göttingen, wo sie auch Musik­kritiken für das „Göttinger Tagblatt“ schrieb. In Köln besuchte sie 1975 ein vom Musikkritiker Peter Fuhrmann geleitetes Medienseminar, wodurch sie ein Praktikum im Deutschlandfunk erhielt, dort erste Sendungen machte, dann vor allem für WDR und Deutsche Welle, und zum weiteren Studium an der Universität in Köln blieb. Seitdem produzierte Gisela viele Sendungen für diverse Rundfunkanstalten. Ab 1979 schrieb sie fünfundzwanzig Jahre lang als freie Mitarbeiterin für den „Kölner Stadt-Anzeiger“. Für Veranstaltungen in Walter Zimmermanns Beginner ­Studio gestaltete sie Programmhefte und saß an der Konzertkasse dieser „Regenbogenkonzerte“. Beim Bremer Festival „Pro Musica Nova“ 1978 lernte sie Reinhard Oehlschlägel kennen, seit 1972 Redakteur beim Deutschlandfunk Köln. 1986 heirateten beide, damit Reinhard das Sorgerecht für Gisela bekommen und Gisela im Falle seines Ablebens durch eine Witwenrente versorgte sein solle. Denn schon damals erlitt Gisela einen schlimmen Schlaganfall, den sie nur dank Reinhards schnellem Eingreifen überlebte. Sie war halbseitig gelähmt und der Sprache beraubt. Nur mit eisernem Willen errang sie sich wieder Sprache und Motorik, blieb aber in ihrem Bewegungsradius lebenslang leicht eingeschränkt.

Neben Beiträgen für die MusikTexte schrieb Gisela auch Artikel für andere Zeitschriften und übersetzte, vor allem aus dem Englischen. Zudem beherrschte sie Französisch und Finnisch, auch etwas Spanisch, Norwegisch und Schwedisch. Sie hatte großes Feingefühl beim Übersetzen, bemerkenswerte Erfahrung und ein genaues Auge. Auf den 60 bis 144 Seiten der Hefte konnte sie bis zuletzt noch den kleinsten Kommafehler finden. Zudem war Gisela stets ehrlich und geradlinig, bewies Rückgrat und stand zu ihrer redaktionellen Meinung, auch wenn sie sich damit enttäuschte oder gar böse Mails einhandelte. Das im Anschluss an diesen Nachruf abgedruckte Gespräch, das Helene Heuser und Daniel Mennicken 2020 mit ihr führten, spiegelt ihr vielfältiges Musikjournalistinnenleben und ist weithin das einzige Zeugnis, das Gisela einmal von sich selbst abzulegen genötigt werden musste. Sie machte nie Aufhebens von sich, hielt sich stets im Hintergrund, ließ anderen den Vortritt und sperrte sich dagegen, öffentlich aufzutreten oder etwas zu sagen, wie zuletzt im Oktober 2022 bei der Präsentation des Buchs „Karte, Uhr und Partitur“ von Johannes Schöllhorn oder im Februar 2023 auf dem von uns initiierten Festival mit Musik und Kunst von Michael von Biel (siehe MT 176), obwohl sie hier wie dort wesentlich zum Gelingen beigetragen hat. Damit sie sich auf Interviewanfragen einließ, bedurfte es eindringlichen Zuredens, sie habe als Zeitzeugin in einer männerdominierten Musikszene die Verpflichtung, in Erscheinung zu treten und ihre Erfahrungen weiterzugeben, statt fortwährend selbstlos hinter den Namen anderer Autorinnen und Autoren zu verschwinden.

Als eine der ersten Musikwissenschaftlerinnen arbeitete und publizierte sie gezielt über Musik von Frauen. Bereits 1984 veranstaltete sie zusammen mit der Pianistin Deborah Richards unter dem Titel „Experimentierfeld Frauenmusik“ ein Festival ausschließlich mit Musik von Frauen, darunter Christina Kubisch und Pauline Oliveros unter Mitwirkung des Ensemble Modern. 1999 initiierte sie in Zusammenarbeit mit dem Deutschlandfunk Köln die Konzertreihe „Frau Musica (nova)“, die mit den Redakteuren Reinhard Oehlschlägel und dann Frank Kämpfer jeweils einmal im Jahr eine noch nicht allzu bekannte Komponistin oder Composer-Performerin umfassender porträtierte. 2013 übertrug Gisela die künstlerische Leitung dieser Reihe an Brigitta Muntendorf.

Viele Jahre reisten Gisela und Reinhard zu Festivals und Akteuren der neuen Musik in Europa und Asien, auch Nord- und Südamerika. Überall trafen sie Komponistinnen, Komponisten, Musikerinnen, Musiker, Veranstalter, Ensembles und machten durch Berichte und Porträts in den MusikTexten neue Namen, Konzepte, Werke, Ansätze und Ästhetiken im deutschsprachigen Raum bekannt. Wo neue Musik gespielt wurde, waren sie zugegen. Auch in Köln besuchten sie regelmäßig Konzerte. Egal wo beide erschienen, waren sie sofort von Menschen umlagert, die sich mit ihnen austauschen und Interessen oder Ideen gegenüber dem Rundfunkredakteur und der Zeitschriften-Macherin äußern wollten. In Köln waren sie der Nabel der Szene. Bei ihnen liefen Kontakte, Netzwerke und Informationen zusammen, von ihnen bekam man Adressen, Bücher und Noten, die in Kölner Bibliotheken fehlten. Beide engagierten sich in der 1982 wiedergegründeten KGNM, waren im Vorstand aktiv, organisierten Werkstätten, Festivals, Konzerte und übernahmen viele Jahre das Layout für das Zweimonats-Faltblatt mit Terminen neuer Musik. Natürlich alles ehrenamtlich. Auch in der GNM und der ISCM waren beide aktiv, für die sie seit 1991 insgesamt siebzehn Ausgaben des „World New Music Magazine“ herausgaben, auch das selbst­redend pro bono. Im Zuge der Krebserkrankung ihres Mannes und nach dessen Tod 2014 besuchte Gisela nur noch wenige ausgewählte Konzerte und jährlich die Musiktage in Witten und Donaueschingen, wo sie die Musik­Texte am Bücherstand vertrat. Auch als Autorin nahm sich Gisela immer mehr zurück. In den letzten Jahren verfasste sie kaum mehr Texte, um stattdessen umso mehr Beiträge von anderen zu übersetzen, zu redigieren, zu veröffentlichen.

In der großen Altbauwohnung in der Gladbacher Straße 23 in Köln merkte man gleich beim Betreten die Verlags- und Redaktionsstube. Schon im Vestibül stapelten sich Post, Pakete, Bücher, Hefte, Magazine, Zeitungen. In den Arbeitszimmern wurde das zeitgenössische Musikschaffen aktiv begleitet. In den übrigen Zimmern wuchs über Jahrzehnte hinweg ein einmaliger Bestand an Zeugnissen der Musikgeschichte, die Wände waren bis unter die hohe Decke übersät mit Büchern, Partituren, Zeitschriften, Zeitungen, Lexika, Enzyklopädien, LPs, CDs. Eine zweite Mietwohnung im Dachgeschoss diente als Lager für immer mehr Hefte und Bücher. Über zwanzig Bände der Edition MusikTexte – die meisten zweisprachig englisch-deutsch – enthalten Texte und Gespräche der US-amerikanischen Komponisten John Cage, Morton Feldman, Christian Wolff, Robert Ashley, Frederic Rzewski, Tom Johnson und Alvin Lucier sowie von Karel Goeyvaerts, Klaus Huber, Giacinto Scelsi, ­Peter Ablinger, Sven-Åke Johansson, Jo Kondo und ­zuletzt von Johannes Schöllhorn. In dieser Wohnung ­boten Gisela und Reinhard auch zahllosen Musikschaffenden eine gastfreundliche Bleibe, wann immer diese nach Köln kamen und ein möglichst kostenfreies Quartier brauchten. Am Küchentisch ging es stets um neue Musik im Allgemeinen und Besonderen. Überhaupt war die Küche Schauplatz vieler Redaktionstreffen und geselliger Abendessen, bevorzugt mit leckeren Fischgerichten aller Art – einmal sogar Rochen – und mehreren Flaschen Wein, und natürlich angeregter Gespräche und hitziger Debatten. Während Reinhard Oehlschlägel mit vielen Menschen aneckte, sei es durch unverhohlen geäußerte Kritik, skeptische Nachfragen, Einwände, seine Lust am Disput oder vermeintliche Besserwisserei – oft wusste er es tatsächlich besser –, war Gisela stets um Ausgleich bemüht, versuchte Brücken zu bauen, Kontakte zu pflegen, neue zu knüpfen und Gesprächsfäden trotz Dissonanzen nicht abreißen zu lassen. So unterschiedlich die Temperamente der beiden waren, ihr gemeinsames Interesse an neuer Musik verband sie zu einer symbiotischen Wohn- und Arbeitsgemeinschaft. Außenstehenden mochten sie zuweilen eigenartig, seltsam, geradezu besessen und bis zur Schrulligkeit nerdig erscheinen. Doch zugleich waren sie – wie Gisela nach Reinhards Tod immer wieder betonte – auch ein echtes Liebespaar.

Ich selbst lernte die beiden 1997 näher kennen, und zwar beim zweiten Nachwuchsforum für Komponisten, Interpreten und Musikologen, das die MusikTexte von 1996 bis 2001 mit der GNM und dem Ensemble Modern in Frankfurt veranstalteten. Beide beauftragten mich fortan mit ersten Buchrezensionen und Festivalberichten für die MusikTexte. Und Reinhard erteilte mir Aufträge zu Rundfunksendungen für das Atelier neuer Musik im DLF. Dadurch eröffneten sie mir einen Einstieg in die musikjournalistische Praxis und erste Einnahmequellen. Für ihr Interesse und Vertrauen bin ich ihnen bis heute dankbar. Bei zahllosen Texten war Gisela meine erste kritische Leserin, ebenso sachlich wie sprachlich korrekt, umsichtig, genau und kreativ. In Heft 108 betrauten mich beide dann mit der Redaktion eines Themenschwerpunkts über Nicolaus A. Huber. Seit Februar 2007 war ich dann Teil der Redaktion. Schließlich wurden Frank Hilberg und ich auch Herausgeber, später folgten Bernd Künzig und Stefan Fricke. Als Reinhard 2014 starb, bestritten Gisela und ich die Redaktion zu zweit. Seitdem verging kaum ein Tag, an dem wir nicht telefonierten, Texte hin und her schickten, und oft gleich mehrere Emails wechselten. Vor rund zwei Jahren ­erzählte Gisela einmal mit Erstaunen, dass sich deren Anzahl in ihrem dafür angelegten Ordner auf zehntausend belief. Vermutlich werde ich mit niemandem sonst je wieder so viele Emails wechseln wie mit ihr. Alle drei Wochen trafen wir uns zu gemeinsamen Arbeitsmittagessen in einem Lokal bei ihr in der Straße.Per Skype verständigten wir uns vor allem dann, wenn sie jährlich von Juni bis September auf der kleinen Insel Tenniranntie bei Valittula inmitten der finnischen Seenplatte in ihrem Häuschen weilte – nicht um dort etwa Urlaub zu machen und auszuspannen (höchstens ein kleines bisschen), sondern um unvermindert weiter an Heften und Büchern zu arbeiten. Gleichwohl hatte sie in Finnland ihre Freude an hellen ­nor­dischen Nächten, fetten Hechten in ausgelegten Fisch­reusen, Saunagängen und am Schwimmen sowie unternehmungslustigen Besuchen ihrer beiden jüngsten Geschwister und deren Partner.

2015 riefen wir das „Forum junger Autorinnen“ ins Leben, womit wir dem über neue Musik schreibenden Nachwuchs einen Weg in die Publizistik bahnen wollten, freilich unter inzwischen erschwerten Bedingungen angesichts vieler weggebrochener Orte, Medien und Verdienstquellen für Musikkritik. Ab 2020 halfen uns Karl Ludwig und Hanna Fink bei Redaktion, Layout und Transkriptionen. Beide steuerten auch erste eigene Beiträge bei und organisierten Autorinnen und Autoren für Festivalberichte. Ohne ihre Hilfe wäre dieses nun vorliegende umfangreiche Doppelheft MusikTexte 177/178 nie erschienen. Das an Giselas Person und ihre unentgeltlichen Leistungen geknüpfte Betriebsmodell dieser Zeitschrift konnte ihnen – wie auch keinem anderen – eine arbeitstechnisch und finanziell tragfähige Perspektive für einen dauerhaften Fortbestand und Lebensunterhalt bieten. Das bestehende Team der Herausgeber und Redaktion will aber versuchen, die MusikTexte in veränderter Form als Online-Portal, Open Access-Archiv und aktuellen Newsletter fortzuführen.

Die MusikTexte waren Giselas Leben und zehrten entsprechend auch an ihrem eigenen. Vierzig Jahre lang quartalsweise diese Zeitschrift herauszugeben und Tag für Tag von morgens bis häufig spät nach Mitternacht am Schreibtisch zu sitzen, hinterließ schließlich selbst bei ihr Spuren, gesundheitlich wie auch in Bezug auf wachsenden Unmut am Schreiben von Rechnungen sowie beim Redigieren schlecht geschriebener und/oder inhaltsvager Artikel. Im Frühjahr 2022 erklärte sie allen Mitwirkenden und dann auch freimütig bei sich bietenden Gelegenheiten gegenüber der Szene der neuen Musik, im August 2023 mit Heft MT 178 aus der Zeitschrift auszusteigen. Fortan wollte sie sich ein bisschen mehr um sich selbst kümmern, um Gesundheit, Geschwister, Familie, Freundeskreise. Sie begann ins Fitness-Studio zu gehen und war glücklich, dass ihr der Sport gut tat. Zugleich wollte sich die unermüdliche Arbeiterin anderen Aufgaben mit mehr Ruhe widmen: Sie plante weitere Bücher, mit Ulrich Mosch eine neue Edition von Texten Dieter Schnebels und mit mir einen Band mit Texten und Gesprächen von Mathias Spahlinger. Zudem erklärte sie sich bereit, dabei mitzuhelfen, die MusikTexte weiter als Online-Forum fortzuführen. Unter dem bereits bestehenden Link https://texte.musiktexte.de sollten neue Beiträge erscheinen und nach und nach möglichst viele Beiträge aus vierzig Jahrgängen zu freier Verfügbarkeit und Volltextsuche bereitgestellt werden.

Ferner wollte sich Gisela intensiver der Aufbereitung ihrer umfangreichen Fotosammlung und der Korrespondenz widmen, die sie und Reinhard Oehlschlägel seit den siebziger Jahren mit zahllosen Musikschaffenden auf der ganzen Welt verbunden haben. Tausende autographe Briefe, Postkarten, Grußadressen, Dank­sagungen, Skizzen und Zeichnungen bilden ein Who is Who der jüngeren Musikgeschichte. Zusammen mit hunderten Tonbändern mit Interviews, Porträt- und Kommentarsendungen, weiteren Manuskripten, Quellen und Dokumenten wollte Gisela das MusikTexte-­Archiv möglichst gründlich sortiert und bezeichnet dem Musikarchiv der Akademie der Künste Berlin übergeben. Die mit dem dortigen Leiter Werner Grünzweig bereits vertraglich vereinbarte Bestandsüberführung wird nun nicht ganz so geordnet stattfinden, wie sich das Gisela gewünscht hatte. Als glückliche Fügung und Chance sah Gisela auch ihren bevorstehenden Umzug in eine kleinere Wohnung, um bei dieser Gelegenheit viele der angehäuften tausenden Musikalien an Stellen abzugeben, wo sie öffentlich zugänglich wären, wie etwa im Musikwissenschaftlich Institut der Universität zu Köln oder in der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Vieles von dem, was sie sich vorgenommen hat, bleibt nun Makulatur.

Gisela Gronemeyer fehlt uns. Und die MusikTexte werden der gesamten Szene der neuen Musik fehlen. Der Abschied von ihr und der Zeitschrift erfolgt abrupt und unter Schmerzen, aber auch mit großer Dankbarkeit für viele Jahre aufrichtige Freundschaft, Kollegialität und Zusammenarbeit sowie für die langjährige Unterstützung durch Sie alle, liebe Abonnentinnen und Abonnenten.

Foto: Daniel Mennicken